Was die WV unterschlagen hat …

… ist die grüne Haushaltsrede im Kreistag:

Katja Knies zum Haushalt 2010 des Kreises Paderborn  am 8.2.2010

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren!

Vor ungefähr 2 Wochen schrieb eine allgemein als konservativ bezeichnete überregionale deutsche Tageszeitung „Es ist eine gute Saison für die Hersteller von Meisenknödel“.

Es gibt nicht wenige Saisongeschäfte, die vom Schnee profitieren. Und es ist kein Scherz, dass sich nicht nur die deutsche Meisenknödelindustrie vor der Klimaerwärmung fürchtet. Da hilft es auch weder der Umwelt noch dem Mittelstand, wenn man die Produktion auf Sommermeisenknödel umstellt.

Es werden weitaus größere Umstellungen der Wirtschaft auf uns zu kommen. Auch dieses Beispiel zeigt, wie kurzsichtig und fachlich falsch die Entscheidung der Mehrheitsfraktion war, Fragen des Klimaschutzes in den Umweltausschuss zu verlegen, ohne den Wirtschaftsausschuss zu konsultieren.

Angesichts einer grünen Ausschussvorsitzenden steckte da für mich doch eher die Angst vor Kontrollverlust hinter.

Eine weise Entscheidung war das sicher nicht, aber vielleicht bedeutet das ja auch, dass für die CDU der Klimaschutz im Bauwesen schon selbstverständlich ist. So selbstverständlich, dass man ihn nicht mehr ansprechen muss.

„ allein mir fehlt der Glaube“

Was bedeutet denn  Klimaschutz? Klimaschutz bedeutet jede Baumaßnahme zu prüfen, ob da noch was geht bzgl. Energieeffizienz. Doch weder gibt es diesbezüglich ein durchgehendes Konzept noch einen Grundsatzbeschluss, nach denen sich die Verwaltung richten könnte.

1.   Bei der Festlegung der Ziele im Haushalt ist der Klimaschutz als prioritäres Ziel nicht erkennbar. Er taucht kaum auf.

2.   Bei Bau- und Umbaumaßnahmen wird nicht das Bestmögliche angestrebt. Die Vorbildfunktion des Kreises scheint völlig vernachlässigenswert.

Wo sind die Leuchtturmprojekte?

Beim Gregor-Mendel-Berufskolleg hat man die Chance verpasst. Weil ein Architekt sagt, dass es nicht geht, heißt das noch lange nicht, dass z.B. der von uns Grünen geforderte Passivhausstandard nicht möglich ist.

„Geht nicht gibt´s nicht“, das weiß ich aus meiner eigenen beruflichen Praxis.

Und das Geld, was man hier in die Hand nimmt, kriegt man vielfach zurück:

1.   man spart Energie und somit langfristig CO2 und Kosten ein

2.   als Vorbild, was die konstruktiven Möglichkeiten angeht, für  Hausbesitzende und vor allem das Handwerk vor Ort. Als Paderbaubesuchende werden wir auch dieses  Jahr wieder ein wirklich ambitioniertes und fortschrittlich-innovatives Angebot suchen.

3.   Den Einfluss auf die Reputation des Kreises, und den Zusammenhang zwischen Reputation und Kreisfinanzen brauche ich wohl kaum zu erläutern.

Herr Landrat Müller, Sie werden jetzt sagen, „Wir arbeiten dran“. Nun, dann muss ich sagen: Wir würden anders dran arbeiten.

Der Mittelstand war das Thema, das Ihnen dieses Jahr zum Neujahrsempfang ganz besonders am Herzen lag. Soweit gehen wir als Grüne mit. Vielleicht erinnern Sie sich im kommenden Jahr aber ab und zu an die Meisenknödel produzierenden Betriebe und vor allem an die Firmen mit wirklichem Potential im Zusammenhang mit dem Klimawandel und versuchen`s mal mit dem „Vorbild sein“ im Zusammenhang mit „Climate“. Das würde auch gut korrespondieren mit dem C in ihrem Parteinamen.

Aber um zu den konkreten Zahlen zu kommen, die in einer Haushaltsdebatte wohl nicht fehlen sollten:

Zusätzliche Sozialausgaben von          14,3 Mio mit steigender Tendenz

Pensionsrückstellungen                               3,1 Mio

Reduzierte Schlüsselzuweisungen                  5, 2 Mio mit vermutlich steigender Tendenz

Wohngeldzuwendung des Landes                  in 3 Jahren um über 3 Mio reduziert

Allein diese 4 Bereiche bedeuten in diesem Jahr rund 23 Mio Mindereinnahmen bzw. Mehrausgaben.

Ein nettes Bonmot im Zusammenhang mit den Reduzierungen der Kosten für Unterkunft und Heizung ist sicherlich das Zitat von unserem CDU-Vertreter im Bundestag Herr Linnemann, der diesen Beschluss noch feiert als final erreichte „Rechtssicherheit“. Wow!

Die konnten Herr Tiemann und Herr Landrat Müller dann Ende letzten Jahres mühsam Stadt und Gemeinden verkaufen. An die allgemeine Begeisterung können sich ja sicher alle erinnern.

Angesichts dieser Zahlen verliert man fast die Motivation den Haushalt nach Kleinbeträgen zu durchforsten, um dann – wie z.B. die FDP – rund eine halbe Mio zu ergattern, leider ist diese Streichliste dann auch über`s Ziel hinaus geschossen.

Trotzdem hat die FDP völlig Recht, die Zahlung an den Wirtschaftsfond in Frage zu stellen. Es ist nicht erwiesen, inwiefern sich hieraus ein Nutzen und vor allem ein Mehrwert für die Uni ergeben haben. Die Zahlen wurden mit Spannung erwartet.

Hier werden 50000 Euro mal eben so weiter in den Haushalt geschrieben, die Verwaltung fahndet gleichzeitig nach kreativen Vorschlägen für Einsparungen und auf der anderen Seite stehen ganz plötzlich 2 Mio Euro aus der AVE zur Verfügung, über die man eigentlich schon lange hätte verfügen können. Sind wir schon soweit, dass 2 Mio plus oder minus keine Rolle mehr spielen?

Na ja, jeder Fachbereich kann ja einfach ein paar Federn lassen. Klingt gerecht. Es trifft alle gleich. Soweit die graue Theorie.

Praktisch und faktisch trifft dieses „ Alle über einen Kamm scheren“ gerade im Bereich der Jugendhilfe, wieder einmal mehr die, die eh schon von sozialer Benachteiligung betroffen sind.

Dass wir angesichts der prekären Haushaltslage bei den öffentlichen Fortbildungsveranstaltungen für die Jugendhilfeausschussmitglieder sparen, erschließt sich einem ja noch. Dass aber auch bei der Hilfe zur Erziehung, der Inobhutnahme  von gefährdeten Kindern und Jugendlichen, bei Vater/Mutter/Kind – Einrichtungen und bei der Eingliederungshilfe von seelisch behinderten Kindern gespart werden soll, ist schlicht unbegreiflich und für uns Grüne unerträglich. Was berechtigt uns zu glauben die Welt außerhalb dieses Saales sei für Kinder und Jugendliche, für Familien besser und leichter geworden, weil bei uns sparen angesagt ist?

Heißen die geplanten Kürzungen, dass faktisch ein Jugendlicher der zu seinem geistigen und seelischen Wohl aus seiner Familie herausgenommen werden müsste in ihr verbleibt, weil der Kreis sparen muss?

Dass junge Eltern auf Unterstützung der Jugendhilfe verzichten müssen, weil den Hütern der Zahlen nichts Kreativeres als „Alle müssen ran!“ einfällt?

Es kann nicht im Sinne dieses demokratisch gewählten Gremiums sein, eine Kürzungsliste abzusegnen, deren Form der Einbringung den besonderen rechtlichen Status und die Arbeit des Jugendhilfeausschusses ad absurdum führt. Nach unserem Demokratieverständnis kann kein Mitglied dieses Kreistages ruhigen Gewissens den Antrag der Mehrheit des Jugendhilfeausschusses, der die Kürzungen im Bereich der Jugendhilfe zurück nimmt, ablehnen.

Abschließend ein weiterer für uns Grüne wichtiger Punkt: die Schulpolitik:

Im Kreis Paderborn heißt das:

1.   Immer noch gibt es keine zusätzlichen Stellen für Schulsozialarbeit. Im Sommer 2009 war unser Antrag von 2005 über die Endlosschleife tatsächlich in natürlich abgeschwächter Form der CDU grade gut genug, um ihn für Ihren Kommunal-Wahlkampf zu nutzen. Danach scheint alles vergessen, wie sonst ist zu erklären, dass uns gerade in der letzten Schulausschusssitzung über eine Verschlechterung der Versorgung  der kreiseigenen Schulen mit Schulsozialarbeit berichtet wurde. Gerade zu ein Hohn ist da, dass die Verwaltung uns mitteilt, dass der Schulpsychologische Dienst für die Zukunft verstärkt angehalten ist, die Berufskollegs mitzubetreuen, allerdings hierfür keine personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden können!

2.   Immer noch gibt es keine Elternbefragung und auch keine Bereitschaft hierzu bzgl. des Bedarfs einer Gesamtschule im Kreisgebiet, geschweige denn Bestrebungen, hier in Koordination mit den Städten und Gemeinden einen geeigneten Standort für eine Schule zu finden.

Wir haben jetzt das Bildungsbüro, Herr Landrat. Ich finde, wir müssen uns die Frage stellen, ob das Subsidiaritätsprinzip so weit gehen muss, dass man die Gemeinden, die Eltern und die Schüler allein lässt oder ob dieses Büro von uns oder im Auftrag der Bürgermeisterkonferenz

–      ich träume übrigens davon hier mal Bürgermeisterinnenkonferenz sagen zu dürfen; genauso, wie ich es unglaublich finde, dass es wieder keine einzige Frau in den Kreis der stellvertretenden Landräte schaffen durfte.

–       In diesem Zusammenhang sei mir noch ein zweiter Einschub erlaubt: Obwohl ich manche Äußerung bei der konstituierenden Sitzung unmöglich und völlig fehl am Platze fand, schenke ich mir heute jeglichen weiteren Kommentar um unsere nicht Zeit mit Kinderkram zu verplempern.

Also Herr Landrat: zurück zum Bildungsbüro. Sollte dieses nicht ursprünglich Konsens- und Koordination bilden, um eine sinnvolle Abstimmung und Unterstützung der Region zu erreichen?

(3.)       Die Übernahme der Beförderung von Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Integrativen Beschulung, hat doch gezeigt, dass der Kreis in der Lage ist, für alle Beteiligten eine gute und für alle Kinder und Jugendlichen des Kreises gleichwertige Leistung anzubieten, so dass keiner und keine noch zusätzlich benachteiligt wird.

Das Geld kann hierbei nicht entscheidend sein, da die Kreisumlage einen Ausgleich verschafft.

Zusammenfassend sind die Ursachen für das finanzielle Dilemma im Kreis zum geringeren Teil im Kreis Paderborn selbst zu suchen. Die Hauptursache liegt in der permanenten Zuweisung neuer Aufgaben für die Kreise, bei gleichzeitiger Reduzierung der Finanzzuwendungen.

Die Steuermänner und -frauen für diesen finanzpolitischen Kurs sitzen in Düsseldorf und Berlin und deren Parteikollegen in diesem Kreistag sind gefordert Verantwortung zu übernehmen. Es bringt überhaupt nichts jetzt über die Krise zu lamentieren, weil die Bedingungen der unterschiedlichen Ebenen grundsätzlich verschieden sind.

So hat der Bund ein breites Feld von Möglichkeiten, um seine Einnahmesituation zu verbessern (bzw. wie aktuell sie zu verschlechtern). Die Kreise müssen sich zusätzliche Mittel bei den Kommunen holen. Wenn dann die FDP in Geberlaune auf die Jagdsteuer verzichtet und nur Monate später im Kreishaushalt Krümelbeträge saldiert um Löcher bzw. Krater zu stopfen, dann ist das einfach lächerlich.

Von den örtlichen Vertretenden von CDU und FDP ist uns eine kritische Haltung zum Finanzgebaren der Landes- und Bundesebene bislang verborgen geblieben – wer sich so verhält, darf sich über Kritik nicht wundern oder versuchen sich heraus zu reden.

Wir als Bündnis 90/ Die Grünen sehen unsere haushaltspolitische Verantwortung in dieser Situation vor Allem darin zu verhindern,

–       dass in Bereichen mit nachhaltiger Wirkung

–       und im sozialen Netzwerk

Tabula rasa  gemacht wird.

Aufgrund der Lektüre dieses Haushaltes im Zusammenhang mit dem was hier bereits mehrfach gesagt wurde ist klar, dass die Finanzen an anderer Stelle saniert werden müssen. Bevor die Anstrengungen, die wir hier alle unternehmen, um „kreative Lösungen“ zu finden, wirklich tragen.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit