Nicht Sonne und Wind, sondern Altmaier, Rösler und Merkel machen Strom teuer

Ein notwendiger Faktencheck von Jürgen Wrona, Delbrück

Die EEG-Umlage steigt 2013 um fast 50 % – von 3,59 ct pro Kilowattstunde(kWh) auf 5,277 ct/kWh. Sozial- und Verbraucherverbände warnen, dass Strom unbezahlbar wird und das Armutsproblem weiter verschärft wird. Bundesumweltminister Altmaier (CDU) nimmt das zum Anlass, für eine Novellierung der Ökostrom-Förderung zu appellieren. Und die FDP mit Bundeswirtschaftsminister Rösler möchte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) am liebsten ganz abschaffen.

Das Sperrfeuer der EEG-Kritiker zeigt Wirkung. Die Angst vor hohen Strompreisen hat es sogar geschafft, die Wut über die Abzocke beim Benzinpreis aus den Schlagzeilen zu verdrängen. Das Mainstreaming in der Presse, in Internetforen und Talkshows ist eindeutig: Die Strompreissteigerungen müssen eingedämmt werden – so kann es mit der Ökostrom-Förderung nicht weitergehen.

Dabei hatte Bundeskanzlerin Merkel bei Verkündung der Energiewende noch versprochen, dass die EEG-Umlage nicht weiter steigt. Bei Ermittlung der Umlage für 2012 hielt ihr Versprechen noch. Doch bereits wenige Monate präsentierte die Bundesregierung vorsorglich einen ersten Schuldigen für Strompreiserhöhungen: die Photovoltaik. Ganz auf dieser Linie kommentierte das Westfalen-Blatt am 12. Oktober 2012: „Jeder Haushalt zahlt im kommenden Jahr 70 Euro mehr – überspitzt für die Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Nachbarn. … Der europaweit höchste Strompreis ist sozial ungerecht“ So wird Empörung gegen die Ökostrom-Förderung befeuert – aber stimmt die Behauptung auch? Welche Faktoren sind für die Erhöhung der EEG-Umlage verantwortlich?

Den größten Anteil mit 0,7 ct/kWh (40 %) machen Prognosefehler aus. Das heißt: Die Übertragungsnetzbetreiber haben die Stromenge aus Erneuerbaren Energien für 2012 viel zu niedrig eingeschätzt und müssen diesen Fehler jetzt korrigieren. Hauptursachen für die Fehleinschätzung sind höhere Erträge aus Windenergie als 2011 und überdurchschnittliche Sonneneinstrahlwerte. Es handelt sich also um einen Einmaleffekt, der sich – abhängig von Windverhältnissen und Sonneneinstrahlung – schon 2013 wieder umkehren und zu einer Senkung der EEG-Umlage führen könnte.

Mit 0,35 ct/kWh (20 %) macht die Privilegierung der Industrie den zweitgrößten Posten aus. Diese Subvention ist vor Jahren eingeführt worden, um stromintensive Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, vor hohen Strompreisen zu schützen und einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland zu begegnen. Doch die Bundesregierung hat die Subventionen ausufern lassen.

Inzwischen werden auch Unternehmen begünstigt, die nicht im internationalen Wettbewerb stehen und Arbeitsplätze gar nicht verlagern können, z.B. der Braunkohletagebau von Vattenfall in Brandenburg, der Deutsche Wetterdienst, die Deutsche Flugsicherung, städtische Verkehrsbetriebe etc.

Diese Beispiele machen deutlich, welche absurde Blüten die Industrieprivilegierung inzwischen treibt. Die von der Bundesregierung verordnete Subventionierung von Unternehmen durch die Haushaltskunden macht 2013 bereits 1,3 ct/kWh – also 25 % der gesamten EEG-Umlage – aus. Ein weiterer Faktor, der mit knapp 0,2 ct/kWh (12 %) zur Erhöhung der EEG-Umlage beiträgt, ist der Einfluss von Ökostrom auf den Börsenpreis. Der Hintergrund: Als nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima Kernkraftwerke in Deutschland abgeschaltet worden sind, haben Vertreter der alten Energiewirtschaft einen Anstieg der Stromhandelspreise prognostiziert. Es ist aber genau das Gegenteil eingetreten.

Der Strom an der Leipziger Böse ist heute ca. 10-15 % niedriger als vor Fukushima. Grund dafür ist die hohe Einspeisung Erneuerbarer Energien, mit der teure Lastspitzen abgefedert werden (sog. Merit-Order-Effekt). Hier wird der Ökostrom ein Opfer seines Erfolgs, denn: Je höher der Preissenkungseffekt durch die Erneuerbaren, desto höher wird die Differenz zwischen Börsenpreis und EEG-Vergütung. Die paradoxe Folge: Der Stromhandelspreis ist durch Erneuerbare Energien um 0,6ct/kWh gesunken, aber die EEG-Umlage für 2013 steigt um 0,2 ct/kWh.

Weitere Posten, die eine Steigerung der EEG-Umlage bewirken, sind die unsinnige Marktprämie (ca. 0,1 ct/kWh bzw. 7 %), mit der die Bundesregierung die Direktvermarktung und Marktintegration Erneuerbarer Energien fördern will, und die von der Bundesregierung 2012 neu eingeführte Liquiditätsreserve, die mit 0,15 ct/kWh (9 %) zu Buche schlägt.

In der Öffentlichkeit und in den Medien wird häufig dargestellt: Steigerung der EEG-Umlage = Steigerung der Ökostrom-Subvention. Doch das ist falsch. Tatsächlich schlägt die reine Ökostrom-Förderung 2013 mit 2,26 ct/kWh zu Buche – das ist nicht einmal die Hälfte der EEG-Umlage. 57 % der EEG-Umlage bestehen aus den zuvor dargestellten sachfremden Faktoren wie  Industriesubventionierung, Marktprämie und Liquiditätsreserve, die mit der Ökostrom-Förderung nichts zu tun haben. Die EEG-Umlage steigt von 2012 auf 2013 um ca. 1,7 ct/kWh, aber die reinen Förderkosten für Erneuerbare Energien steigen nur um ca. 0,2 ct/kWh. Am Anstieg der EEG-Umlage hat die Ökostrom-Förderung also einen Anteil von lediglich 12 %, wovon etwa die Hälfte auf die Förderung von Solarstrom entfällt.

Fazit des Faktenchecks: Für die Photovoltaikanlage beim Nachbarn muss ein Haushalt nicht 70 Euro pro Jahr bezahlen, wie das Westfalen-Blatt behauptet, sondern lediglich 6 % von 70 Euro = 4,20 Euro. Der von der Bundesregierung zu verantwortende Kostenanteil ist mehr als doppelt so hoch – doch darüber informieren regierungsnahe Medien lieber nicht, plappern stattdessen unreflektiert die Floskeln der Regierungskoalition nach und dreschen auf die Ökostrom-Förderung – bevorzugt auf die Photovoltaik – ein. Der Kommentar im Westfalen-Blatt ist nur eines von vielen Beispielen, mit welchen Halb- und Unwahrheiten wirtschaftlich und politisch interessierte Kreise sowie deren Handlanger in der Journaille die Ökostrom-Förderung verunglimpfen, gegen das EEG hetzen und versuchen, die Öffentlichkeit zu verdummen.

Die aktuellen Zahlen belegen: Die Ökostrom-Förderung steigt mit 0,2 ct/kWh nur marginal, die Photovoltaik spielt bei der Erhöhung der EEG-Umlage um 1,7 ct/kWh kaum noch eine Rolle. Die wahren Preistreiber heißen Altmaier, Rösler und Merkel – und ausgerechnet diese Brandstifter rufen jetzt nach der Feuerwehr. Ob Medien und Öffentlichkeit das Ablenkungsmanöver der politisch Verantwortlichen wohl noch durchschauen?

Jürgen Wrona

Geschäftsführer der Bau- und Umwelttechnik Gesellschaft für ökologisches Investment mbH, Mozartstraße 23, 33129 Delbrück

Artikel kommentieren

Kommentar verfassen