“Weniger ist mehr” – Brigitte Tretow-Hardt zum abgelehnten Stadthaushalt

Es mag vielleicht etwas ungewöhnlich sein, eine Haushaltsrede mit einer Frage zu beginnen. Ich tue es aber trotzdem. Welche Fähigkeit muss ein Paderborner Kommunalpolitiker / Politikerin haben?  Die Antwort: Geduld, Geduld und nochmals Geduld!  Wir haben in Paderborn eine Vielzahl von Bau- oder Umbauvorhaben, deren Realisierung nicht vorankommt und oftmals jahrelang dauert. Eine Wartezeit von über 10 Jahren ist keine Seltenheit.

Zum Beispiel das neue Verwaltungsgebäude. Bereits in 2003 hat der Stadtrat die Weichen für den Standort an der Florianstraße gestellt und die Verwaltung mit der notwendige Prüfung hierfür beauftragt. Seitdem sind viele Jahre vergangen bis dann der Vorschlag diskutiert wurde, die Stadtverwaltung auf dem Gelände der Alanbrooke Kaserne einzurichten. Als der Abzug der Briten konkret wurde, haben wir – Rat und Verwaltung auf Initiative von Bürgermeister Paus – uns in großer Einmütigkeit für die Nutzung der denkmalgeschützten Gebäude ausgesprochen. Damit eröffnete sich die einmalige Chance, mit dem Vorzeigeprojekt Neue Stadtverwaltung die Konversion in Paderborn ansprechend zu starten. Unter Mitwirkung vieler Bürger /Bürgerinnen wurde die Konzeption für die Nutzung der Alanbrooke Kaserne inklusiv der Stadtverwaltung entwickelt. Und inzwischen wird über den Kauf am Hoppenhof als Standort der Verwaltung diskutiert.

Natürlich fühlten sich die mitwirkenden Bürger /Bürgerinnen verschaukelt, als sie vom Hoppenhof erfuhren. Städtebaulich ist der Hoppenhof als Standort der neuen Stadtverwaltung ungeeignet: viel zu weit entfernt von der Stadt. Die schlechte Erreichbarkeit wird vor allem ein Problem für diejenigen sein, die sich kein Auto leisten können. Ursprünglich wollten Sie, Herr Dreier, das Verhandlungsergebnis bereits im Herbst vorlegen. Jetzt ist es auf Januar verschoben. Im Haushalt sind für die neue Stadtverwaltung keine Mittel eingesetzt worden. Sollte das vielleicht ein gutes Zeichen für das Alanbrooke – Gelände als neuer Verwaltungsort sein? Oder nur Beschönigung unserer Haushaltssituation.

Rosentor muss höchste Priorität bekommen

Der Bahnübergang Rosentor ist ebenfalls ein altes Problem. Möglicherweise durch den Beinah-Unfall im Oktober hat das Thema wieder Aktualität bekommen. Natürlich wissen wir alle, dass der Bahnübergang schwierig für ältere Leute und Menschen im Rollstuhl ist. Es gab in den Jahren vorher bereits weitere Unfälle. Seit 2013 liegen mehrere Varianten vor, wie die Situation verbessert werden kann. Wir Grüne haben schon damals für die Barrierefreiheit am Rosentor plädiert, d.h. dass der Bahnübergang für Autos gesperrt wird und eine Unterführung für Fußgänger und Radfahrer gebaut wird. Im Haushalt 2016 wird das Rosentor nicht berücksichtigt. Es soll jetzt mit in das integrierte Handlungskonzept einbezogen werden. Eine unendliche Geschichte ist der Übergang Rosentor jetzt schon. Schauen wir mal, ob die Geschichte auch mal endlich werden kann.

Die neue Turnhalle der Bonhoefferschule wird demnächst endlich fertig sein. Bereits 1999 wurde der Schule diese Turnhalle versprochen, aber die ganzen Jahre nicht realisiert. Wir haben noch viele weitere Planungen und Projekte wie der Neubau des Bahnhofs, das Parkhaus an der Bahnhofstraße, die Erweiterung der Kulturwerkstatt, die Renovierung der Maspernhalle etc. , die in der Warteschleife ruhen.

Unser Klimaschutzkonzept sowie die Lärmaktionsplanung sind immer noch nicht fertig. Ob wir da inzwischen Schlusslicht im Vergleich mit anderen Städten sind? Wichtige Themen, die vor Jahren in Angriff genommen wurden. Natürlich gibt es im Einzelfall auch immer irgendwelche Gründe, warum so viele Projekte nicht zum Abschluss kommen. Aber es summiert sich! Es gibt einen Spruch, der lautet: „Weniger ist mehr“.

Mit den vielen Projekten ist die Verwaltung personell überfordert. Das GMP hat in den vergangenen Jahren auch nie das Geld, das im Haushalt für Investitionen bereitgestellt wurde, abarbeiten können. Da sollte man Prioritäten setzen und die Machbarkeit sowie die dringende Notwendigkeit besser berücksichtigen. Und am Rosentor muss etwas gemacht werden!

Integration der Flüchtlinge forcieren

Die zentrale Herausforderung für die nächsten Jahre ist die Integration der Flüchtlinge in unsere Stadtgesellschaft. Und damit jetzt zum Thema Stellenplan und der Flüchtlingssituation.  Ja, es gibt eine Vielzahl von neuen Planstellen für 2016 und sie sind wichtig! In ihrer letzten Haushaltsrede, Herr Mertens, sagten sie: „90 neue Stellen darf es nicht wieder geben.“ Wir sind inzwischen bei 93,5 neuen Stellen. So schnell kann sich die Situation verändern! Neben den 27 neuen Stellen bei der Feuerwehr haben wir neue Planstellen vor allem im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation.

Die Zunahme der Flüchtlinge stellt für die Stadt eine riesige Herausforderung dar. Vorrangig Aufgabe ist, wie Herr Walter im letzten Jugendhilfeausschuss schon sagte, die existentielle Grundversorgung, d.h. Unterkunft, Betten und Verpflegung. Diese Aufgabe zu bewältigen bedeutet eine hohe Anstrengung seitens der Verwaltung. Und das schon seit vielen Monaten mit der Perspektive, dass es so weitergehen wird. An dieser Stelle erstmal unsere ganze Anerkennung für die Bemühungen und vor allem für den akuten Einsatz, wenn wieder Flüchtlinge vor der Verwaltung abgesetzt und versorgt werden müssen.

Ein Dankeschön an Herrn Walter und seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Und natürlich auch an alle ehrenamtlich Tätigen und Flüchtlingsinitiativen. Sie sind das Rückgrat unserer weltoffenen Gesellschaft und Demokratie. Wichtig finden wir auch, dass alleinstehende Frauen, mit oder ohne Kinder, möglichst separate Unterkünfte bekommen. Sie haben ja sicher auch den Artikel über sexuelle Übergriffe in den Unterkünften gelesen.

Da viele Flüchtlinge auch zukünftig in Paderborn leben werden, ist es umso wichtiger, möglichst früh mit gezielten Integrationsmaßnahmen anzufangen. Wir dürfen die Fehler einer mangelhaften Integration wie in der Gastarbeiterepoche nicht wiederholen. Hinzu kommt, dass wir Flüchtlinge aus den verschiedensten Ländern haben mit unterschiedlichen Werten und kulturellem Hintergrund, strengeren religiösen Einstellungen oder auch traumatischen Kriegs- und Fluchterfahrungen. Ein Integrationskonzept in Kooperation mit freien Trägern, Kirchen und anderen Verbänden müsste dringen erarbeitet werden. Je früher wir damit anfangen, desto besser sind die Chancen für ein friedliches und konstruktives Leben miteinander. Unsere beide Anträge hierzu wurden leider in den verschiedenen Fachausschüssen abgelehnt und somit keine personellen Kräfte zur Verfügung gestellt.

Im Haushalt 2016 sind viele neue Planstellen für Erzieherinnen in den Kindergärten für die Flüchtlingskinder vorgesehen. Das ist richtig und wichtig, nicht nur weil ein Rechtsanspruch für diese Kinder besteht, sondern vor allem, damit diese Kinder frühzeitig integriert werden. Je jünger die Kinder sind, desto problemloser können sie z.B. auch die deutsche Sprache erlernen. Was im Haushalt fehlt sind die Investitionen für räumliche Erweiterungen in den Kindergärten. Wir haben die große Sorge, dass Provisorien – wie von der Verwaltung argumentiert wird – nicht ausreichen, und die Raumnot zu Lasten aller Kinder führt.

Mangel an bezahlbaren Wohnraum spitzt sich zu

Darüber hinaus ist eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus unerlässlich, nicht nur in Bezug auf Flüchtlinge, sondern auch in Bezug auf alle anderen Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen, die finanziell an der Armutsgrenze leben. Der Mangel an bezahlbaren Wohnraum in Paderborn ist allen bekannt. Er bestand schon bevor die Flüchtlinge zu uns kamen, spitzt sich aber jetzt noch mehr zu.

Es werden seit Jahren keine Sozialwohnungen mehr gebaut. Bestehende Sozialwohnungen sind aus der Belegungsverpflichtung in Laufe der Zeit herausgefallen, so dass es immer weniger bezahlbare Wohnungen gibt. Die Investoren schaffen zwar neuen Wohnraum, aber im höheren Preissegment.

Unser Antrag, zumindest in neuen Bebauungsplänen eine Quote (beispielsweise 30%) für Sozialwohnungen oder bezahlbaren Wohnungsraum festzuschreiben, wurde vor einiger Zeit abgelehnt. Wir wollen zwar alle eine soziale Mischung, aber dafür etwas zu tun, kommt nicht in Frage. Seit über 5 Jahren liegt das Thema auf dem Tisch. Und da es immer noch keine konkreten Maßnahmen gibt, ist auch nichts dazu im Haushalt zu finden.

Falsche Briefköpfe ?

Jetzt komme ich zum letzten Punkt. Alle Anträge, die in den verschiedenen Ausschüssen zur Haushaltsberatung von uns gestellt wurden, sind abgelehnt worden. Bis auf einen Antrag von uns im Jugendhilfeausschuss. Besonders bedauerlich finde ich selbst u.a., dass unser Antrag zur Erhöhung der Spielgerätesteuer nicht durchgekommen ist. Wir haben viel zu viele Spielhallen in Paderborn. Neben einer höheren Steuereinnahme wäre dies eine gute Prävention gegen Spielsucht gewesen.

Meine grünen Ratskolleginnen und –kollegen hatten in diesem Jahr verstärkt den Eindruck in den Haushaltsberatung, dass sich die Mehrheitspartei nicht wirklich mit unseren Anträgen inhaltlich beschäftigt hat, sondern überall, wo ein grüner Briefkopf zu sehen war, die Ablehnung vorprogrammiert war.  Vielleicht sollten wir uns vor der Haushaltsberatung im nächsten Jahr den Briefkopf der CDU ausleihen, um mehr Erfolg zu haben.

Wir lehnen den Haushalt ab. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Brigitte Tretow-Hardt, Fraktionsvorsitzende