Rückwärts tickende Schuldenuhren belasten Borchen – Haushaltsrede von Guido Reitmeyer

Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle gesagt, „Borchen steht gut da“. – Gerne würde ich das heute wieder sagen,
aber nach Durchsicht des Haushaltes geht mir dieser Satz in dieser Form nicht mehr über die Lippen. Viele Gemeinden und Städte in NRW können nicht mehr frei über ihren Haushalt bestimmen, sondern müssen die strengen Vorgaben der Haushaltssicherung akzeptieren. Im Jahre 2014 waren es bereits über 170 in NRW. Besonders im sozialen Bereich bringt eine Haushaltssicherung massive Einschnitte. Das gilt es für Borchen zu verhindern. Darum müssen wir mit Weitblick eine solide Finanzlage der Gemeinde in Einnahmen und Ausgaben im Auge behalten. Da sind insbesondere Kämmerer und Bürgermeister gefordert. Schauen wir genauer hin.

Das Gewerbe steht gut da. Fast 400 T€ mehr Einnahmen stehen im Haushaltsansatz als im letzten Jahr. Man könnte meinen, dass wir so auf einem guten Weg wären, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Dagegen spricht leider, dass dabei sowohl die Zuweisung des Landes um 426 T€ niedriger ausfällt, als auch der Kreis die Kreisumlage gleich mal erneut um 440 T€ anhebt. Das ist schon eine problematische Entwicklung.

Beide Faktoren bewirken eine enorme Mehrbelastung des Haushaltes. Die zusätzlichen Einnahmen werden somit an
anderer Stelle durch gestiegene Forderungen bei Weitem übertroffen und es verbleibt weiterhin ein großes Minus im
Haushalt.

Nun stehen wir da und es wird kalt im kurzärmeligen Hemd…

Wir haben Mehreinnahmen, aber jede Menge Mehrausgaben, Mehrausgaben für den Kreis (440 T€), die nicht durch uns bedingt sind. Zusammen mit der geringeren Zuweisung des Landes (426 T€) sind das satte 866 T€ weniger als im letzten Jahr. Da stellt sich schon die Frage, wie eine Gemeinde wie Borchen eine solche Mehrbelastung auffangen soll? Wir hier drehen jeden Euro mehrmals um und schauen, ob wir ihn wirklich ausgeben wollen.

Dennoch stehen ca. 1,9 Mio € Defizit im Haushalt. Damit diese Zahl nicht noch höher ausfällt, schlägt die Verwaltung Steuererhöhungen vor. Steuererhöhungen für das Gewerbe und auch für die Grundsteuer B. Die Gewerbesteuer soll um 15%-Punkte angehoben werden und die Grundsteuer B um 25% Punkte. Damit liegen wir in Borchen immer noch 12%-Punkte beim Gewerbe und 24% Punkte bei der Grundsteuer unterhalb der fiktiven Hebesätze und haben im Vergleich zu anderen Kommunen in NRW immer noch günstige Steuersätze. Die fiktiven Steuersätze sind vom Land – wie regelmäßig jedes Jahr – angehoben worden. An den fiktiven Hebesätzen orientieren sich die die Zuweisungen vom Land. Somit bekommen wir, wenn wir unterhalb der fiktiven Hebesätze liegen, weniger Zuweisung. Auf der einen Seite ist es gut für die Borchener, weniger Steuern zu zahlen, auf der anderen Seite wird durch die geringere Einnahme die Zuweisung zusätzlich erniedrigt.

Rückwärtsdrehende Schuldenuhren belasten Borchen

Ist die Anhebung der Hebesätze für Borchen zu vermeiden? Die Haushaltssicherung muss für Borchen sicher vermieden werden. Unsere schwierige Haushaltslage mit der vorgeschlagenen Steuererhöhung für Borchen steht im direkten Zusammenhang mit der Situation von Kreis, Land und Bund. Eine wirklich verrückte Situation. Der Kreis, das Land und der Bund rühmen sich damit, den Schuldenberg abzubauen, aber das geschieht auf Kosten der Gemeinden.

Es ist sehr schwer nachzuvollziehen, dass die Bundesregierung in Berlin aufgrund der sprudelnden Steuereinnahmen eine schwarze Null herausstellt und Steuererhöhungen ausschließt, während in Nordrhein-Westfalen die Kommunen reihenweise die Grundsteuer B um 20 Prozent oder mehr erhöhen müssen und es dennoch nicht schaffen, ihre Haushalte auszugleichen. Ähnliches gilt für den Kreis, der öffentlichkeitswirksam die rückwärtsdrehende Schuldenuhr präsentiert. Auch diesen Abbau tragen wir durch die Kreisumlage mit.

Wenn wir dann weiter auf den Kreis schauen und sehen, dass die Dividende für die stark ins Gerede gekommene RWE-Aktien wohl ausbleiben wird und der Wertverfall des Aktienpaketes wohl noch nicht gestoppt ist, möchte ich heute nicht wirklich wissen, wo das uns als Gemeinde hinführen wird. Wie genau die Höhe der Verluste aussieht bleibt noch abzuwarten. Für den Haushalt des Kreises und kurz über lang auch für Kommunen droht Ungemach, denn die Verluste sind da und werden sich als Teil der Umlage auch in den kommenden Haushalten wiederfinden. In diesem Zusammenhang hatten wir Grüne im Kreis mehrfach empfohlen, die RWE-Aktien abzustoßen, zu einer Zeit als sie noch etwas Wert waren und nicht weiter Geld zu verbrennen. So ganz nebenbei sei auch angemerkt, dass man mehr als deutlich sehen kann, wie ein Repräsentant des atomar fossilen Zeitalters zum Umdenken gezwungen ist. Auch hier wurde zu lange an den alten Gedankenstrukturen
festgehalten und das Zeitalter der erneuerbaren Energien zu lange unterschätzt. Nun ist dem Kreis viel Geld verloren gegangen, weil die Aktien im Wert enorm gesunken sind. – Dies ist aber heute nicht unser Thema.

Zurück zu unserem Haushalt. Eine Entnahme aus der Rücklage darf nicht größer als 5 % ausfallen. Sollten wir diese
Marke zweimal hintereinander nicht einhalten können, droht uns die Haushaltssicherung und damit der Verlust der
Gestaltungsautonomie, da uns vieles vom Land vorgegeben würde. Das gilt es unbedingt zu vermeiden. Neben einer
drastischen Anhebung der Hebesätze würde das vermutlich auch erhebliche Einschnitte im Bereich der freiwilligen
Leistungen nach sich ziehen, also am Herzschlag unseres Gemeinwesens.

Nach den Haushaltsberatungen im Haupt- und Finanzausschuss prognostizieren wir eine Entnahme knapp (von ca. 4,6 % sprich 0,4 %) unterhalb der 5%-Hürde, was uns nicht viel Luft für unvorhergesehene Dinge lässt. Ich kann nur sagen, dass uns die geplanten Steuererhöhungen mit dem Ziel, die äußeren Mehrbelastungen ein Stück aufzufangen und unter der genannten 5% Hürde im Sinne der Haushaltssicherung zu bleiben, nicht ansatzweise gefallen!

Danke für die Aktiven in der Flüchtlingshilfe

Anmerken möchte ich ausdrücklich, dass wir die Kosten für die Flüchtlinge und das Defizit im Haushalt nicht in Beziehung setzen müssen. Die Bemühungen um sie, wir hörten es vom Bürgermeister mehrfach, verlaufen haushaltsneutral. Bezüglich der Flüchtlinge sind wir auch alle gefordert, an der Integration für diejenigen, die ein Bleiberecht haben, mitzuwirken. Allerdings halten wir es auch für sehr wichtig, dass die Entscheidungsprozesse zum Bleiberecht erheblich verbessert werden sollten und besonders an Geschwindigkeit zunehmen sollten.

An dieser Stelle gilt unser aufrichtiger Dank all denen, die sich mit ihrem überwiegend ehrenamtlichen Einsatz für dieFlüchtlingshilfe unermüdlich um die Integration bemühen und mit ihrem Engagement einen so wertvollen Beitrag leisten. Dieser Wert ist in den Haben-Spalten des Haushaltes zwar nicht darstellbar aber dennoch Abbild für das Grundkapital einer lebendigen Gemeinschaft.

Auch unschön: Gebührensätze für die Müllabfuhr

Ein weiterer wirklich unschöner Punkt ist die Erhöhung der Gebührensätze für die Müllabfuhr. Auch hier hängen wir sozusagen am Tropf des Kreises oder besser dessen Deponiekosten. Er hebt die Kosten an und wir können die Gebührensätze für die Borchener nur nachziehen. Je nach Tonne fallen hier 20,- bis 40,- € an. Auch hier ist unser
Einflussbereich am Ende bzw. nicht gegeben. Zum Glück geht es nicht weiter. Eine Möglichkeit gab es ja noch. Es fehlen in der Reihe der möglichen Anhebungen noch die Hebesätze der Kanalgebühren. Zum Glück ist es hier so, dass die stabil und somit kein Thema für eine Erhöhung sind. Man muss aber auch sagen, dass diese Gebühren die Ersten in der Aufzählung sind, auf die wir hier in Borchen Einfluss haben!

Schauen wir noch einmal auf die Jahre 2014 und 2015. Da hatten wir auch schon Defizite ausgewiesen. Nun ist es so,
dass die ausgewiesenen Defizite kleiner ausfallen bzw. kleiner ausfallen werden als prognostiziert. Das verringert
letztlich auch nur die Entnahme aus den Rücklagen Diese Einsparungen sehen wir somit auch nicht als „freies Geld“
an und können es auch nicht ausgeben. Ein Defizit ist ein Defizit…

Auf diese Investitionen freuen wir uns

Kommen wir zu den schöneren Dingen, denn auf ein paar Investitionen können wir uns in Borchen wirklich freuen: An erster Stelle ist hier das Begegnungszentrum „Jung trifft Alt“ zu nennen. Das wird bestimmt ein toller Treffpunkt vis-à-vis zum Mallinckrodthof und ein aus ortsplanerischer Sicht wichtiges Stärkungsinstrument um Borchen zu entwickeln.

Auch das neue Baugebiet „Unterm Hessenberg“ wird Borchen stärken. Allerdings sollten wir hier nochmal genau hinschauen, wie es entwickelt wird. Da zeichnen sich ja diverse Möglichkeiten zur Erschließung ab, beginnend mit einer Zufahrt von der Kreuzricke, über Teilung mit einer zweiten Zufahrt im oberen Teil, bis hin zu einer direkten Zuwegung (Umgehung) an Nordborchen vorbei, von der vereinzelt schon zu hören war.

Unabhängig von den planerischen Möglichkeiten, müssen insbesondere die finanziellen Möglichkeiten fest im Blick sein. Wir werden sicherlich in den Ausschüssen da noch spannende Diskussionen führen – auch um Interessen der Anlieger zu berücksichtigen. Schauen wir hier etwas weiter auf die Orts-Entwicklung von Borchen. Unserer Meinung nach ist da eine Art „Orts-Agenda“ notwendig. Das auch vor dem Hintergrund des neue LEPs, der im Sommer zur Verabschiedung ansteht und
der Diskussion zur weiteren Entwicklung von Gewerbegrundstücken. Mit der Agenda muss geklärt werden, wie und
wohin sich Borchen entwickeln soll und vor allen Dingen auch wie schnell.

Der Ausbau des Radwegenetzes und in dem Zusammenhang auch der Paderborner bzw. Haarener Straße ist für uns weiterhin ein wichtiger Punkt auf unserer Agenda. Leider ist auch diese Hauptstraße nicht im Bereich der Dinge, die in unserem Einfluss liegen, wir aber stark beobachten. Ja, „jährlich grüßt das Murmeltier“. Zum Haushalt 2015 hatte der Landesstraßenbetrieb schon angekündigt, die Planungen in Angriff nehmen zu wollen. Ich vermute mal, dass wir uns sicher sein können, dass er sie fest im Blick hat – oder so.

Im Zusammenhang mit Fahrrädern haben wir Grüne zum Haushalt einen Antrag gestellt, die Anzahl von sicheren Fahrradständern an geeigneten Stellen zu erhöhen. Wir wollen damit den steigenden Anteil an Fahrradverkehr gerecht werden und ihn voranbringen. Die Verwaltung prüft die Förderfähigkeit von Fahrradständern im Sinne des Förderprogramms zur Nahmobilität und sinnvolle Stellplätze. An diesen Fahrradständern können die Räder diebstahlsicher aufgestellt werden. – Eine Investition, die Borchens Haushalt vermutlich nur mit 10-20% der Investitionssumme belasten würde.

Weitere Anträge haben wir bewusst nicht gestellt, da wir den defizitären Haushalt nicht noch mehr belasten wollten. Auch in diesem Jahr konnten wir sehen, dass sich die Investitionen der letzten Jahre rechnen. So z.B. die Investitionen in die gemeindlichen Photovoltaikanlagen und der Rückkauf der Stromnetze bzw. die Anteile der WWE, die ihre wirtschaftliche Kraft auch aus dem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien und dem damit durchgeleiteten Strom generieren. Somit zahlen sich die Erträge nicht nur als eine Entlastung der Haushaltskasse aus, sondern auch als wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

Mit diesen Punkten möchte ich hier nun erstmal schließen und noch einmal kurz zusammenfassen: Der Haushalt ist unserer Ansicht nach handwerklich gut und solide aufgestellt. Inhaltlich sehen wir trotzdem das Problem des großen Defizits. Dieses Defizit liegt insbesondere an der reduzierten Zuweisung des Landes und der erhöhten Kreisabgabe. Gründe, die wir nicht wirklich beeinflussen können, aber unseren Blutdruck besonders durch den Kreis steigen ließen.

Von daher werden wir dem aufgestellten Haushalt, aus Gründen der Kosten-Nutzen-Abwägung und um das Gespenst
der Haushaltssicherung abzuwehren, zustimmen. Ich freue mich auf ein weiterhin gesundes und klimafreundliches Borchen mit hoffentlich baldigem ausgeglichen Haushalt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Guido Reitmeyer
Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen