“Lasst uns die Welt besser, gerechter und menschlicher machen! – AfD-Fegefeuer ist finsterstes Mittelalter”

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Passanten,

Wir sind hier und heute zusammengekommen, weil die AfD, die selbst ernannte „Alternative für Deutschland“ aufgerufen hat, ein politisches Fegefeuer vor dem Paderborner Rathaus zu entfachen.   „Wir schaffen das!“ erklären sie. Und fügen an: „Merkel kommt nach Paderborn. Wir sind da.“

Wir vom ‘Bündnis für Demokratie und Toleranz’ sind schon längst da. Und wir bleiben auch länger. Und haben den weitaus längeren Atem als die Hubschrauber-gleiche AfD, die auf Polit-Klamauk setzt, um Aufmerksamkeit zu erregen, die – wenn überhaupt – nur eine politische Richtung anzubieten hat.

Fegefeuer – das ist tiefstes, schwärzestes Mittelalter. Wo Hexen verbrannt wurden, der Adelsprivilegien über die Untertanen herrschten. Zurück ins Mittelalter ist keine Lösung für unsere gegenwärtigen Herausforderungen.

In welchen politischen Zeiten leben wir denn?

Wir – die wir auf dieser Seite stehen – sind sehr froh,

  • dass wir in einer lebendigen Demokratie leben, auch wenn sie nicht ganz perfekt ist,
  • dass wir hierzulande eine vielfältige Medienlandschaft haben, auch wenn der Qualitätsjournalismus es schwer hat gegen die Lügenpresse-Kolporteure.
  • dass wir in einer Gesellschaft leben, wo nicht das Familienbild der 50 Jahre gilt, wo der Storch die Kinder bringt, sondern wo die Frauen sich emanzipiert haben, auch wenn wir noch hart arbeiten müssen am gleichen Lohn für gleiche Arbeit und an echter Gleichberechtigung
  • dass wir nach zwei vernichtenden Weltkriegen in einem zusammenwachsenden Europa leben, ohne Schießbefehle auf Flüchtlinge an den Grenzen, auch wenn Nationalismen wieder fröhlich Unstätt feiernund erneut Mauern hoch gezogen werden.

Ja, unsere Welt ist nicht perfekt, aber es gilt sie jeden Tag ein Stück weit besser, sozial gerechter und menschlicher zu machen.

Demokratie und Toleranz stößt da an Grenzen, wo Brandstifter anfangen, mit Fegefeuern zu zündeln. Allzu gut erinnern wir uns an die Bücherverbrennung. Unsere Parole kann nur sein: Wehret den Anfängen!

Am Mittwochmorgen bekam ich einen Anruf eines besorgten CDU-Wählers, so stellte er sich jedenfalls vor.  „Frau Merkel hat ihre Kompetenzen weit überschritten, als sie anordnete, die Grenzen zu öffnen und ein „Wir schaffen das!“ nachschob.  Eine Antwort, was er denn als Bundeskanzler angesichts des Flüchtlingselend gemacht hätte, bliebt er mir schuldig.

Ihr nehmt mir vielleicht ab, dass ich nicht zu dem engeren Sympathisantenkreis der Bundeskanzlerin gehöre. Aber zur Entscheidung am 4. September letzten Jahres sage ich Chapeau, Frau Merkel! Hier hat die CDU-Vorsitzende  ihre Richtlinienkompetenz als Bundeskanzlerin wahrgenommen.  Angesichts des Elends der Flüchtlinge erwarte ich auch diese Haltung  und ich erwarte auch, dass sie in diesem Punkt auch konsequent bleibt.

Damit steht sie für mich in einer Reihe mit Willy Brandt, der Ostpolitik und seinem Kniefall in Warschau. Die Älteren werden sich erinnern, was für einen Sturm der Entrüstung damals die Entspannungspolitik ausgelöst hat. „Vaterlandsverräter“ war noch eine der harmloseren Pöbelei. Das hat unsere Demokratie überstanden.

Bisweilen braucht es in der Politik Mut zu unpopulären Entscheidungen. Aber gleichzeitig gilt auch: Wir müssen uns intensiver und allgemein verständlicher über die richtige Richtung streiten.  Wir müssen Meinungsverschiedenheiten und auch bohrende Fragen aushalten.

  • Was ist mit der deutschen Entscheidung gewesen, im Herbst 2014 keine weiteren Gelder für das UN-Flüchtlingsprogramme im Libanon und Jordanien bereitzustellen?
  • Was ist mit den deutschen Waffenexporten in den Nahen Osten?
  • Was ist mit dem „Flüchtlingsdeal“ unmittelbar vor der jüngsten Geberkonferenz für Afghanistan?

Mit Blick auf die bundesrepublikanische Gesellschaft:

  • Wie reagieren wir darauf, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufklappt?
  • Dass die Angst vor sozialem Abstieg instrumentalisiert wird?
  • Dass Neid und Habgier auf der Tagesordnung stehen?

Fragen sind es, die unsere Demokratie weiterbringen.

Es sind weder platten Parolen, noch pauschale Vorurteile. Politik steht vor der riesigen Herausforderung, sich immer wieder neu zu erklären.

Deshalb ist es nötiger denn je, Alarm zu schlagen und auf die Straße lautstark zu protestieren.

Ich höre die AfD wie schon auf den fünf Demos zuvor skandieren: „Merkel muss weg!“. Auf Dauer ist das ziemlich langweilig, extrem einfältig, um nicht zu sagen äußerst paderboring.

Nein, wir werden der AfD nicht die Straße, nicht die Stammtische, nicht die Stimmungslage in der Republik und Stadtgesellschaft überlassen:

  • weil die Vereinfacher von der AfD systematisch Fakten leugnen und sich Argumenten verweigern, die ihnen nicht passen. Das lassen wir ihnen nicht durchgehen!
  • weil in der Mitte der Gesellschaft plötzlich völkisch-nationalistische und rassistische Töne salonfähig werden. Auch das lassen wir keinesfalls durchgehen!
  • weil hinter den Angriffen auf – Achtung AfD-Jargon – „das links-rot-grün versiffte 68-er Deutschland“ eine fundamentale Absage an unsere vielfältige Gesellschaft steckt. Eine radikale Ablehnung der Realität und des Fortschritts unseres Einwanderungslandes. Auch diese Wirklichkeitsverweigerung lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

Wenn letztens am Einheitstag, heute in Paderborn diese kleine Hundertschaft rechtspopulistischer Schreihälse meint, eine angeblich verfehlte Flüchtlingspolitik als Feigenblatt nutzen zu können, um damit ihre eigene Verfassungsfeindlichkeit zu kaschieren, so befinden sich diese Menschen auf dem Holzweg.

Wenn sie dann glauben, noch lautstark den Anspruch erheben zu können, sie seien DAS Volk, so müssen diese Leute sich sagen lassen, dass sie eben genau das nicht sind. DAS Volk.

Sie müssen sich damit abfinden, dass sie nur ein kleiner und beschämender Teil dieser Gesellschaft sind, was schon schlimm genug ist. Als AfD zu behaupten „Wir sind das Volk“ ist eine unerträgliche Verhöhnung der Bürgerrechtsbewegung und der friedlichen Revolution 1989.

 

Gegen ihre Einfalt setzen wir auf Vielfalt.

Wir setzen auf die Stärkung unseres sozialen und solidarischen Zusammenlebens in Paderborn, im Land, in Europa. Wichtig ist, dass wir aufeinander achtgeben. Wichtig ist ebenfalls, dass die Stärkeren die Schwächeren stärken. Und hier gilt: Gerade die Unterschiede sind das, was unsere Stadtgesellschaft lebendig und liebenswert macht.

Sofort zugegeben: Unterschiedlichkeit ist auch anstrengend. Andere Meinungen fordern heraus.

Unabhängig davon soll sich jeder Mensch hier willkommen fühlen. Dass Paderborn genauso eine Stadt bleibt, dafür stehen wir ein und gehen auf die Straße!

Also:  2016 statt Mittelalter! Aufklärung statt Fegefeuer! Vielfalt statt Einfalt! Protest statt Schweigen!

Und ab jetzt nur noch Laut geben, laut sein! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.