Sven Giegold: Sieg für CETA-Kritiker und Niederlage für Europas Handlungsfähigkeit machen Reformdruck überdeutlich

“Das vorläufige Scheitern von CETA, sehe ich mit einem lachenden aber auch einem weinenden Auge. Es ist gut, dass die vorliegende Fassung des CETA-Vertrags, der tief in Demokratie und Rechtsstaat eingreift, gestoppt wurde. Die Art und Weise wie CETA gestoppt wurde, schadet Europas Handlungsfähigkeit”, kommentiert Sven Giegold die Ablehnung Belgiens des bisherigen EU-Kanada-Abkommens CETA. Deshalb kam es zur Absage des EU-Kanada-Gipfels am Donnerstag, auf dem CETA unterzeichnet werden sollte. Sven Giegold ist finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament.

“Heute wurde einmal mehr deutlich: Die europäische Demokratie hat ein Effizienzproblem. Ganz unabhängig davon, wie man zu CETA steht, ist es demokratisch nicht hinnehmbar, dass einzelne Regionen ganz Europa handlungsunfähig machen, auch in Bereichen europäischer Kompetenz. Die europäischen Institutionen müssen in den europäischen Kompetenzbereichen entscheidungsfähig sein. Die vorläufige Anwendung von CETA hätte sich nur auf die europäischen Kompetenzbereiche bezogen. Gleichwohl müssen nationale Parlamente eingebunden werden, wenn über Bereiche von CETA entschieden wird, die auch nationale Kompetenzen betreffen. Europa entscheidet in europäischen Kompetenzbereichen, nationale Parlamente bestimmen in nationalen Kompetenzfeldern mit. So hat es auch das Bundesverfassungsgericht unvermisständlich klar gestellt.

Europa erweckt nun zum wiederholten Male den Eindruck, dass es bei wichtigen Entscheidungen nicht effizient und entschlossen handeln kann.

Dieses Problem bei den Entscheidungsprozessen erleben wir auch in der Steuerpolitik, die immer wieder von Steueroasen wie Irland blockiert wird. So viel Druck wie bei CETA auf die Wallonie gemacht wurde, sollte Europa lieber auf Steueroasen wie Irland machen. Somit bleibt unterm Strich: Die Absage des EU-Kanada-Gipfels ist ein Sieg für die CETA-Kritiker, aber eine Niederlage für Europas Handlungsfähigkeit. Wir müssen dringend über Reformen diskutieren, die Europa effizientere Entscheidungsprozesse ermöglicht.

 

So schlecht die wallonische Blockade für Europas Handlungsfähigkeit ist, so berechtigt ist die Kritik der Regionalregierung am CETA- Vertrag. Europa und Kanada sollten die Gelegenheit nutzen und den Vertrag nun noch einmal überarbeiten. Die Forderungen der Wallonie nach einem Ausklammern der öffentlichen Daseinsvorsorge bei den Dienstleistungen, einer Beschränkung der Schiedsgerichte und der eindeutigen Rechtsverbindlichkeit aller Zusatzerklärungen sind berechtigt. Das Subsidiritätsprinzip muss auch für Handelsverträge gelten. Statt nach innen und nach außen ein Signal der politische Lähmung zu senden, kann Europa mit Nachverhandlungen beweisen, dass es Handelsverträge abschließen kann, die dem Gemeinwohl in gleichem Maße wie wirtschaftlichen Interessen nützen.”