Mandatsträger in den Räten weit engagierter als ihr Ruf

Überraschendes Untersuchungsergebnis, entgegen landläufiger Meinung: 70 Prozent der Mandatsträger in NRW sind erwerbstätig oder selbstständig. Sie opfern viel Zeit für ihr kommunales Ehrenamt: Der mittlere Aufwand wird in den Städten mit 32,5 Stunden im Monat und in den Kreisen mit 29,7 Stunden beziffert. Die meiste Zeit opfern mit durchschnittlich 56,4 Stunden die Fraktionsspitze in den einwohnerstärksten Städten. Mehr als die Hälfte aller befragten Mandatsträger ist zudem noch an anderen Stellen wie Sportvereinen, Kirchen oder Verbänden ehrenamtlich tätig.

“Wer einmal grüne Fraktionssitzungen erlebt hat, weiß, mit wie viel Power und Herzblut, aber auch mit welchem Maß an Ausdauer und Hartnäckigkeit die Ratsmitglieder Politik gestalten”, erklärt Johannes Menze, Geschäftsführer der Grünen in Paderborn. Interessierte können sich bei den Grünen gern selbst einen Eindruck verschaffen. Die Treffen, im Bild Mitglieder der Paderborner Stadtratsfraktion, sind weitgehend öffentlich. 

Zurück zur Studie. Die meisten ehrenamtlichen Mandatsträger nutzen weder Freistellungsregelungen noch machen sie Verdienstausfall geltend. Die Befragung von fast 2300 Mandatsträgern aus 44 NRW-Kommunen – eine der größten Befragungen von Rats- und Kreistagsmitgliedern in Deutschland – widerlegt das Vorurteil: “Mandatsträger würden sämtliche Vorteile beziehungsweise Kompensationen ausnutzen“. Insgesamt engagieren sich in den 396 Kommunen in NRW rund 20.000 Männer und Frauen für ihre Städte, Gemeinden und Kreise.

Auf Anregung der Ehrenamtskommission des Landtags Nordrhein-Westfalen wurde Prof. Dr. Bogumil von der Ruhr-Universität Bochum beauftragt, die Struktur der kommunalen Mandatsträger auch mit Blick auf die Arbeitszeiten zu analysieren.

Die wichtigsten Ergebnisse:

Musterkomunalo: 55 Jahre alt, männlich und überdurchschnittlich gebildet ist der typische kommunale Mandatsträger in NRW. Der Frauenanteil ist mit weniger als 30 Prozent in den Städten (26,7) und Kreisen (29,4) immer noch sehr gering. Bei den grünen Ratsmitglieder im Kreis liegt die Frauenquote über 45 %.

Verdienstausfall: Nur 15 Prozent aller Mandatsträger nutzen die gesetzlichen Möglichkeiten, Verdienstausfälle zumindest teilweise auszugleichen.

Freistellung: Nicht mal die Hälfte der erwerbstätigen Räte nutzen Freistellungsregelungen in ihren Betrieben. Zwar werde nur in Ausnahmefällen beklagt, dass der Arbeitgeber die Freistellung für die Ratsarbeit verweigere. Allerdings wird von subtilem Druck berichtet worden und von Rücksicht auf Kolleg*innen.

Größe der Räte: Jeder dritte Mandatsträger in NRW hält seinen Rat oder Kreistag für zu groß – in den Großstädten sagen das sogar über 50 Prozent.