Was tun, wenn nur die Suche nach Sparpotentialen übrig bleibt? – Haushaltsrede von Guido Reitmeyer

In der gestrigen Ratssitzung zum Borchener Haushalt forderte der grüne Fraktionsvorsitzende Guido Reitmeyer Bürgermeister und Verwaltung auf, endlich ein Konzept gegen das strukturelle Defizit zu entwickeln und insgesamt den Rat intensiver in Entscheidungsprozesse einzubinden. Zur Zeit seien Ratsmitglieder “nur Passagiere auf dem Weg zum Flächennutzungsplan”, kritisierte Reitmeyer. Die Bündnisgrünen stimmten dem Etat zu.

Dazu erklärte Guido Reitmeyer: “In dem Haushalt für das Jahr 2018 sind Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde  kalkuliert und gegenübergestellt. Der Plan hat das Ziel plausibel darzulegen, wie im Zeitraum eines Haushaltsjahres die geplanten Vorhaben finanziert werden sollen. Das Ganze ist vorausschauend immer auch eine Prognose. Und wie das Sprichwort sagt, sind Prognosen ja schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.

Im Rahmen der Haushaltsberatungen ist es dann üblicherweise so, dass finanzielle Spielräume von den politischen Parteien und Gruppierungen gesucht werden, um entsprechend der jeweiligen Ausrichtung Anträge im Sinne einer politischen Willensbekundung einzubringen. Was aber, wenn genau diese Spielräume nicht vorhanden sind und wie im Falle des Haushaltes der Gemeinde Borchen mit einer Unterdeckung von 1,6 Mio. Euro einem gewissenhaft handelnden Kommunalpolitiker eigentlich nur die Suche nach Sparpotentialen übrig bleibt. Genau darin zeigt sich das Dilemma – auch des diesjährigen Haushaltes für das Jahr 2018.

Dieses Dilemma zu beleuchten soll den Dank an den Kämmerer, als den Jongleur der roten Zahlen, nicht kleiner erscheinen lassen. Ihm gilt zunächst der Dank und ebenso den Mitarbeitern der Verwaltung, die bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfes eine sehr gute Arbeit gemacht haben.  

Strukturelles Defizit trotz florierender Wirtschaft

So hinterlässt der Haushalt einen handwerklich einwandfreien Eindruck. Mit dem Inhalt tun wir uns trotzdem sehr schwer. Schaut man auf die wichtige Zahl für das Jahresende, so stellt man fest, dass auch in diesem Jahr wiederum ein Defizit – von 1,6 Millionen € – ausgewiesen wird. Das Problem daran ist, dass es nicht das erste Mal in den letzten Jahren so ist. Wir müssen weit zurückgehen, wo wir zumindest einen ausgeglichenen, geschweige denn positiven, Haushalt hatten. Wir sprechen also von einem strukturellen Defizit, welches in diesem Jahr auch in Zeiten sprudelnder Einnahmen nur unwesentlich geringer ausfällt als in den vergangenen Jahren.

Dauerhaft ist ein defizitärer Haushalt nicht akzeptabel. Der Griff in die Rücklagen ist nur zeitlich begrenzt möglich. Wo bleibt die Wende zum ausgeglichenen Haushalt? Ich stelle diese Frage in einer Zeit, in der die Wirtschaft floriert und das Gewerbe in Borchen stark ist. Es ist doch recht verwunderlich, dass das Defizit in diesen guten Zeiten immer noch 1,6 Mio Euro ausmacht.

Dazu möchte ich ein paar Zahlen nennen:

  • Wir erhalten 10,3 % mehr Schlüsselzuweisungen als im letzten Jahr.
  • Auch die Einnahmen durch die Gewerbesteuer sind um 2,7% gestiegen.
  • Ähnlich verhält es sich bei den Einnahmen durch die Einkommenssteuer: 5,1 %.
  • Die Kreisumlage, über deren Ansteigen wir uns Jahr für Jahr beschwert haben, ist in diesem Jahr 30 T€ niedriger ausgefallen als im Vorjahr.
  • Die beschlossene Schulgebäudeerweiterung von 2,4 Mio € belastet den Haushalt zunächst nur mit 200 T€.

Trotzdem rücken wir auch in diesem Jahr dem Ziel, einen ausgeglichen Haushalt darzustellen, nicht näher.  Hier muss dringend gegengesteuert werden.

Alle Fraktionen werden sich die Frage gestellt haben, an welcher Stelle man eine Weichenstellung in die richtige Richtung anregen kann. Im Bereich der Pflichtausgaben haben wir keine Spielräume. So rücken dann schnell die Überlegungen in den Mittelpunkt, im Bereich der „freiwilligen Leistungen“ einzusparen und den Rotstift anzusetzen. Eine sehr ungeliebte Entscheidung, da hiervon der „Pulsschlag“ eines lebenswerten Borchens empfindlich gestört würde. Dies ist demnach auch nur die allerletze Lösung.

Welche Möglichkeiten haben wir nun?

  • Einfach akzeptieren und schauen wie es weitergeht? – keine gute Idee
  • Anhebung der Hebesätze: Bei der Haushaltseinführung konnten wir vom Kämmerer und dem Bürgermeister den Wunsch und die Empfehlung nach einer Erhöhung der Steuern auf die fiktiven Hebesätze vernehmen. Klar wäre das strukturelle Defizit ein bisschen kleiner ausgefallen, genau genommen um ca. 225 T€ oder 1/8 weniger. Aber eine wirkliche Lösung des Problems wäre das auch nicht gewesen.
  • Die Nachbarkommune Lichtenau hat einen eigenen, für sich mutigen Weg gewählt und kann durch die Einnahmen aus der Windkraft einen positiven Haushalt aufstellen. – Ich drücke es mal so aus: Hier ist Borchen anders unterwegs. Eine fiktive Betrachtung im Sinne des Haushalts möchte ich hier nicht vornehmen.
  • Eine weitere Möglichkeit ist das Prinzip Hoffnung: Auf Bundes- und Landesebene stehen aktuell eine ganze Menge Mittel zur Verfügung, vielleicht kommt davon ja etwas in Borchen an.

Letztlich bleibt nur das bekannte Mittel, die Ausgaben zu senken und die Einnahmen zu erhöhen. Von erhöhten Einnahmen auf Grund der Konjunktur gehen auch die Haushaltsprognosen für die nächsten Jahre aus. Ob es wirklich so kommt, kann niemand mit Sicherheit sagen. Wir können uns nicht auf die prognostizierte gute wirtschaftliche Entwicklung verlassen und hoffen, dass das Defizit irgendwie von alleine verschwindet. Wir brauchen vom Bürgermeister und der Verwaltung ein Konzept, mit dem das strukturelle Defizit endlich abgebaut wird. Es muss mit Klugheit und Augenmaß jede Ausgabe auf Einsparmöglichkeiten überprüft werden.

Aufgaben sind noch nicht erledigt

Wie zu Beginn bereits ausgeführt, ist auch der Spielraum für Anträge nicht vorhanden. Daher haben wir in diesem Jahr auch bewusst auf haushaltsrelevante Anträge verzichtet. Wir wollen an dieser Stelle aber nicht verschweigen, dass es auch noch unerledigte Anträge gibt, die im zurückliegenden Haushaltsjahr nicht bearbeitet wurden.

Da ist immer noch unser Antrag zur elektronischen Kommunikation offen. Hier ging es uns nicht um die Erstellung eines teuren Konzeptes, sondern schlicht darum, gute Beispiele aus anderen Gemeinden und Städten zu übernehmen,  um so mittelfristig Ausgaben zu senken – z.B. für die Zustellungen von Rechnungen oder Bescheiden. Höxter ist da beispielsweise gut unterwegs und Paderborn macht sich auch auf den Weg.
Was ist geschehen in Borchen in Sachen „elektronische Kommunikation“? – Vermutlich wurde es einfach vergessen.

Wie wir alle wissen, ist das nicht der einzige Beschluss, der nicht durchgeführt worden ist. Offen ist z.B. auch die Untersuchung einer zweiten Zufahrt für das Baugebiet Unterm Hessenberg, nachdem wegen des erhöhten Bedarfes die Errichtung einer Kita beschlossen worden ist. – Schade. Kritisch sehen wir den fehlenden Zeitplan für die rechtzeitige Erstellung des neuen Flächennutzungsplans. Mit diesem Zeitplan soll sichergestellt werden, dass der neue Flächennutzungsplan rechtzeitig fertig wird. Wir stellten eine schriftliche Anfrage nach einem solchen Zeitplan mit den wichtigen Schritten samt Zeitleiste auf dem Weg bis zur Genehmigung. Beantwortet wurde unsere schriftliche Anfrage mit der Weitergabe der mündlichen Aussage des Planers „Wir schaffen das“. – Uns reicht das nicht!Ich möchte es hier in Borchen nicht erleben, wenn wir es zeitlich nicht schaffen oder ein Planungsdetail vergessen. Aktuell sind wir hier im Rat über das Verfahren nicht ausreichend informiert und können nicht sicher sagen, wie gut oder wie schlecht wir hier im Verfahren stehen.

Klar sind nur zwei Dinge:

  1. Die mögliche Planungszeit von zwei Jahren ist um gut die Hälfte verstrichen und wird jeden Tag einen Tag weniger.
  2. Sollten wir es nicht in der maximal möglichen Zeit von zwei Jahren schaffen, bekommen wir neue Klageverfahren zur Aufstellung von neuen Windenergieanlagen.

Hier Sicherheit für unsere Gemeinde herzustellen, sehe ich ausschließlich die Verwaltung in der Verantwortung. Ohne eine wirkliche Information ist die Transparenz nicht vorhanden. Wir hier im Rat sind somit – aktuell nur Passagiere auf dem Weg zum Flächennutzungsplan.

Bereits im Sommer 2015 beantragten wir den Verzicht von Glyphosat auf gemeindlichen Flächen. Zum damaligen Zeitpunkt erschien insbesondere der Verwaltung das nicht umsetzbar. Gerne haben wir der Presse entnommen, dass hier ein Gesinnungswandel stattgefunden hat, den wir ausdrücklich begrüßen.

Gefreut haben wir uns auch darüber, dass sich bzgl. der L755 und der Radwegeführung etwas verändern soll. Nach dem Motto jährlich grüßt das Murmeltier hatten wir in den letzten Jahren wiederholt daran erinnert, dass etwas geschehen müsse. Nun stehen wir auf dem oberen Platz der Umsetzungs­priorität und werden schauen, welche konkreten Maßnahmen geplant sind und ob der Fahrradverkehr sicher über die Paderborner Straße in seiner Gänze geführt werden soll.

Vertrauen im Rat? Massiv geschwunden.

Ich komme zum Klima und spreche ausnahmsweise nicht über die globale Erderwärmung und den Ausbau der regenerativen Energien. Ich meine im übertragenen Sinne das Klima hier innerhalb des Rates. Aktuell weiß ich nicht, ob ich es eher mit Eiszeit oder Flächenbrand bezeichnen soll.
Wir alle wissen es. – Derzeit ist das Vertrauen massiv geschwunden.

Was kann das Vertrauen fördern? Sicherlich das Weglassen von Beschuldigungen und verbalen Entgleisungen. Jedes einzelne Mitglied hier im Rat ist wertzuschätzen. Es braucht eine frühzeitige und umfassende Information im Sinne einer Transparenz von Entscheidungen und Abläufen. Wenn wir uns an den Sachfragen orientieren und gemeinsam das Wohl der Gemeinde Borchen im Blick haben, dann werden sich die richtigen Mehrheiten finden für eine gute Politik.  

Erlauben Sie mir an dieser Stelle auch noch ein paar ganz grundlegende Anmerkungen, die sich uns im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung aufgetan haben.

Schauen wir einmal zurück auf die sich derzeit zeigenden Spannungsfelder im Bereich von Investitionstätigkeiten. Da sind die offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Neubaugebiet „Unterm Hessenberg“ und der zweiten Zufahrt. Investitionen in dem sich ändernden Betreuungsbedarf in Nordborchen sowie die Planung einer Entlastungsstraße in Nordborchen.

In den intensiven Beratungen des Haushaltes kam uns der ganz grundsätzliche Gedanke nach den Zielen des Wachstums. – Manches ist sinnvoll, aber die kostenintensiven Investitionstätigkeiten tragen trotz erheblicher Zuschüsse unseres Erachtens zur Darstellungsgrenze des Gemeindehaushalts bei. Ziele, wie eine nachhaltige Entwicklung, schonender Flächen- und Ressourcenverbrauch stehen bei der Entscheidungsfindung nicht im Vordergrund.

Bereits in den zurückliegenden Jahren wurde angemahnt, dass für Borchen eine längerfristige Zielformulierung fehlt. In welche Richtung entwickelt sich Borchen in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren? Unser Ansinnen sollte es sein, den Begriff der nachhaltigen Ortsentwicklung wieder stärker in den Fokus zu rücken und die Diskussion um eine passende Ortsentwicklung anzuregen. Natürlich können wir kurzfristig mit ein paar ausgewechselten LED Leuchten Energiekosten einsparen, natürlich können wir mit einem Elektrofahrzeug im gemeindlichen Fuhrpark einen Beitrag leisten. Aber unterm Strich sind das symbolische Beiträge für eine klimafreundliche Kommune.  Das weitaus größere Potential liegt in der schonenden und wohlbedachten Ortsentwicklung unter Berücksichtigung der sich zukünftig stellenden Herausforderungen.

Zurück zum Haushalt:

Zusammenfassend steht der Haushalt aktuell unter folgenden Vorzeichen:

  • Strukturelles Defizit von 1,6 Mio €
  • Prinzip Hoffnung bzw. positiven Prognosen für die Folgehaushalte
  • vergessene Beschlüssen sowie
  • dringender Bedarf an Veränderungen, die das Ergebnis in eine positive Richtung weisen.

Und nun?

  • Im Vertrauen auf die Kämmerei
  • Im Vertrauen auf alle Verwaltungsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter jede Ausgabe erneut zu prüfen
  • mit Erweiterungen der Berichte zu mehr Transparenz, die wir gleich diskutieren werden
  • sowie unserem Versprechen auch die Augen offen zu halten

werden wir, für die Handlungsfähigkeit der Borchener Verwaltung dem vorliegenden Haushalt in diesem Jahr trotz des hohen ausgewiesenen Defizits, noch einmal zustimmen.

Ich freue mich auf ein weiterhin gesundes und klimafreundliches Borchen mit hoffentlich baldigem ausgeglichen Haushalt.”