Einstimmig für Sigrid Beer

Die Paderborner Grünen haben am vergangenen Samstag Sigrid Beer einstimmig zur Bürgermeister-Kandidatin gewählt. Nach ihrer Vorstellungsrede und der Wahl gab es stehende Ovationen von den über 70 TeilnehmerInnen der Veranstaltung. Zuvor hatten Sylvia Löhrmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, und Dr. Hermann Ott, Leiter des Berliner Büros des Wuppertal Institutes, über die Schwerpunkte Grünen Politik referiert.

Für diejenigen, die an der Veranstaltung nicht teilnehmen konnten, dokumentieren wir die Rede von Frau Beer.

Sigrid Beer MdL 17.01.2009

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freundinnen und Freunde,

ich bedanke mich sehr herzlich für die Beiträge von Sylvia Löhrmann und Hermann Ott.

Sie haben beide deutlich gemacht, warum es Zeit ist für Veränderung. Veränderung auch in Paderborn.

Die kommunale Ebene ist das zentrale Handlungsfeld in der Auseinandersetzung mit den zentralen Herausforderungen dieser Zeit:

Mit der Finanzkrise, mit dem Klimaschutz und mit der notwendigen Bildungsoffensive.

Ich will das heute noch einmal ganz deutlich sagen: Die Klimakrise wartet nicht seelenruhig ab, bis wir die Finanzkrise hinter uns haben und wir dürfen auch nicht verdrängen, dass wir uns in einer Bildungskrise befinden. Das haben wir seit PISA 2000 immer wieder schonungslos präsentiert bekommen. Und Bildung ist der einzige Rohstoff, den wir durch kluge Investitionen vermehren können.

Kluge Investitionen für Paderborn

Kluge Investitionen, dass ist genau das, was wir für Paderborn brauchen.

Investitionen, die die Zukunft sichern, die die Zukunft gestalten helfen.

Investitionen in die Energiesicherheit und den Erhalt unserer Umwelt zur Bewahrung der Schöpfung, Investitionen in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen, Investitionen in den Zusammenhalt dieser Gesellschaft.

All das sind nicht zuletzt Investitionen in die Demokratie.

So müssen die Finanzmittel eingesetzt werden, die wir auf allen politischen Ebenen bereitstellen müssen. Nur so können sie dauerhaft Früchte tragen für die Stabilisierung der Wirtschaft, so nur werden wir zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen können, nur so eingesetzt werden sie nicht zum Schuldenklotz am Bein der nachfolgenden Generationen.

Um die Impulse wirksam einsetzen zu können, brauchen wir die Leitentscheidungen für Paderborn und einen Leitfaden für die weitere Stadtentwicklung.

Ein neuer Gesellschaftsvertrag für Paderborn

Ich möchte, dass diese Studie, dieses Buch „Zukunftsfähiges Deutschland”, die Grundlage ist für den neuen Stadtentwicklungsbericht, den wir gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern in unserer Stadt schreiben.

Ich will dafür kämpfen, dass wir hier in Paderborn einen neuen Gesellschaftsvertrag abschließen, damit wir uns auf die unabweisbaren Prioritäten konzentrieren können.

Die Projekte, die jetzt bestimmen, wie lebenswert unsere Zukunft sein wird, heißen

Klima, Kinder, soziale Gerechtigkeit und zivilgesellschaftlicher Aufbruch.

Denn entweder wird es ein starkes gesellschaftliches Engagement geben, oder die Wende zur Nachhaltigkeit findet nicht statt. Die Krisen, die uns dann ins Haus stehen, auch in Paderborn, will sich heute noch niemand wirklich ausmalen.

Zu dieser unabweisbar notwendigen Wende gehört natürlich die politische Arbeit mit der Auseinandersetzung über Energie-, Verkehrs- und Naturschutzfragen, um Ressourcen zu bewahren und sie sinnvoll einzusetzen, damit wir mehr krisensichere Arbeitsplätze in Paderborn erhalten. Und die sind nicht mit ökologisch und fachlich unsinnigen Projekten wie dem B1-Ausbau zu haben, der Gut Warthe gefährdet, einen immensen Flächenverbrauch hat und zu einem Millionen-Euro-Grab wird, wenn der Unfug nicht gestoppt wird.

Lassen Sie mich das Gegenmodell nennen.

Die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe und die Abhängigkeit vom Import sind doch gerade angesichts der Auseinandersetzungen um die Gasimporte hautnah zu spüren.

Paderborn in die Spitze der Solarbundesliga

Es gibt nur einen Lösungsansatz:

Das ist die dezentrale Energieversorgung, das konsequente Erschließen der Erneuerbaren Energien für Paderborn, kombiniert mit Energieeffizienz und Energieeinsparmaßen.

Ich möchte nicht nur, dass wir es in Paderborn schaffen, in die zweite Fußballbundesliga aufzusteigen. Ich will es mit Ihnen und euch gemeinsam schaffen, dass Paderborn in die Spitzenplätze der Solarbundesliga aufsteigt.

Die Solarenergie liegt in Paderborn weitgehend brach -gemessen an dem Potenzial, das wir haben.

Ich will, dass wir mit Hilfe der Konjunkturmittel die energetische Gebäudesanierung massiv vorantreiben, und zwar nicht nur in den städtischen Gebäuden oder im Bereich der Eigenheime, sondern gerade auch im Mietwohnungsbau und bei Wohnungen der Menschen, die von Energiearmut betroffen sind.

Das ist unser Credo:

Umweltpolitik muss immer auch Sozialpolitik und Arbeitsplatzpolitik sein.

Die Stadt muss ökologischen Strom so weit wie möglich in der Stadt selbst und im regionalen Umfeld produzieren und sich aus der babylonischen Gefangenschaft von E.ON Schritt für Schritt befreien.

Dezentrale Energieversorgung, das müssen wir in Angriff nehmen und damit das Fundament legen zum Wiederaufbau der Kommunalen Stadtwerke, die CDU und SPD in dieser Stadt gemeinsam so leichtfertig verscherbelt haben.

Die Wende in Paderborn geht aber nicht mit dem Master of Desaster mit der Leidenschaft für Großprojekte.

Es ist Zeit für eine personelle Veränderung.

Ich erinnere daran, dass der Bürgermeister nach neuer Gemeindeordnung sogar für 6 Jahre gewählt wird. Eine Zeit, nach der Heinz Paus aus Altersgründen nicht mehr zur Wahl anstünde und sich mit seiner Bilanz dann noch nicht einmal mehr vor den Paderborner Wählerinnen und Wählern verantworten müsste.

Sechs weitere Jahre Paus aber wären ein Freifahrtschein für einen Bürgermeister, der in den letzten Jahren zur Genüge gezeigt hat, wie man Projekte am besten in den Sand setzt.

Seine Eigenmächtigkeit und damit verbundene juristische Fehleinschätzungen haben die Stadt Millionen gekostet.

Das Stadion ist das in Beton gegossene Mahnmahl für dieses Versagen des Bürgermeisters.

Die beinahe katastrophalen juristischen Einschätzungen hätten die Stadt in einer weiteren Bauangelegenheit noch teurer zustehen kommen können.

Ich rede von der Geschichte des Kammerspielbaus. Ich finde es schlicht gesagt peinlich, wenn Heinz Paus jetzt mit dem Finger auf andere zeigt und sich beklagt.

Nein, die Verantwortung für eine unsichere Planung liegt beim Bürgermeister, der ganz einfach eine zu schludrige Arbeit abgeliefert und im Rat immer wieder versucht hat abzuwiegeln, alles sei in Ordnung.

Was wäre gewesen, wenn die Prüfung durch die EU nicht vor Beginn des Projekts gekommen wäre, sondern nachher. Dann hätte es keine Korrekturmöglichkeit mehr gegeben, dann hätten die PaderbornerInnen noch mehr für die Inkompetenz des Bürgermeisters zahlen können.

Die nächste unselige Geschichte ist der Neubau des Rolandsbades, bei der er auch seine mangelnde Kommunikationsfähigkeit mit den BürgerInnen unter Beweis gestellt hat. Die Bürgerintitiative hat es schließlich durchgesetzt, dass die BürgerInnen überhaupt noch beteiligt wurden.

Und ich erinnere daran, was alle PadebornerInnen erleben konnten: In Sachen MVA musste Heinz Paus zum Jagen getragen werden.

Es waren die 45000 Unterschriften, es waren die Aktiven in der Bürgerinitiative, die den Bürgermeister in Position gezwungen haben. Und da wird er jetzt noch solange bleiben müssen, bis er abgewählt ist.

Heinz Paus ist unkalkulierbares Risiko für Paderborn, denn seine Großprojektphantasien sind ja nicht ausgelebt.

Ich erinnere an die Multifunktionshalle, knapp 30 Mill. €, die der Rat mal eben so in vier Wochen-Turbo-Beratung hätte durchwinken sollen, voll kommunal finanziert – ohne eine Beteiligung der Wirtschaft, die Nutznießer der Halle sein soll, zu sichern. Ein unausgegorener Standort wurde propagiert und musste verworfen werden.

Ja, es ist höchste Zeit für Veränderung.

Achtsam leben in Paderborn

Wir müssen die Wende in Paderborn hinkriegen, wir müssen es gemeinsam schaffen, den ökologischen Fußabdruck der Kommune zu verringern.

Ich will gemeinsam mit Ihnen/mit euch dafür kämpfen, dass wir lernen, in Paderborn achtsam zu leben.

Achtsam leben – das gilt in nicht nur Bezug auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen, ob es um Natur, Wasser, Energie oder die Finanzen geht.

Achtsam in Paderborn zu leben, das gilt vor allem für unseren Umgang füreinander und miteinander.

Chancengleichheit in Paderborn

Wenn Bildung und Integration gelingen sollen, wenn wir für mehr Chancengleichheit sorgen wollen, dann ist es richtig zu sagen: Auf den Anfang kommt es an.

Beitragsfreie KiTa

Die KiTa soll konsequent beitragsfrei werden und wir dabei fangen mit dem ersten KiTa-Jahr an. Damit werben wir dafür, dass möglichst alle Kinder dieses frühe Bildungsangebot für ihre Kinder wahrnehmen und wahrnehmen können, egal welche sozio-kulturellen Hintergrund sie mitbringen.

Länger gemeinsam lernen in Paderborn

Wir werden die dritte Gesamtschule für Paderborn und den Kreis Paderborn durchsetzen und umsetzen. Es muss Schluss damit sein, dass immer mehr Eltern und Kinder enttäuscht werden, weil die beiden bestehenden Gesamtschulen sie abweisen müssen.

Wir wollen den Gemeinsamen Unterricht in der Stadt massiv ausbauen.

Die UN-Deklaration der Rechte von Menschen mit Behinderungen ist unsere Meßlatte für Paderborn und das bedeutet, wir schaffen Schritt für Schritt ein inklusives Schulsystem. Deutschland hat die Konvention unterschrieben, sie ist gerade im Bundestag verabschiedet, und im März wird die Unterschrift bei der UN hinterlegt. Wir Grüne wollen in Paderborn jetzt die konkrete Umsetzung auf den Weg bringen.

Das bedeutet auch, die sinnvollen Konjunkturmittel, die für die Sanierung und den Ausbau von Schulen zur Verfügung stehen, dafür zu nutzen, barrierefreie, inklusionsfähige Schulen, zu gestalten.

Armut bekämpfen in Paderborn

Wir erleben auch in Paderborn, dass die Bildungschancen ungerecht verteilt sind. Das gilt für Kinder aus einkommensschwachen Familien genauso wie für viele Kinder mit Migrationshintergrund.

Schulessen für arme Kinder, ein nicht diskriminierender Zugang zu Lernmitteln, gut ausgestattete, saubere Ganztagschulen, in denen sich alle Kinder und Lehrerinnen und Lehrer wohlfühlen können, das ist ein Programmschwerpunkt für uns.

Gute Ganztagsschulen sind zudem ein Jobmotor, denn es geht auch um die Ausstattungen und das Betreiben der Schulmensen, das Kochen und die Essenausgabe. Und das ist ein Feld, in dem es gerade auch neue Chancen für Integrationsarbeitsplätze gibt. Wir wollen eine soziale Beschäftigungsintitiative, die im Feld der Schulverpflegung tätig werden kann. Und wir wollen auch für die Schulverpflegung ein Essen aus Nahrungsmitteln regionaler Erzeuger mit immer mehr steigendem Anteil von Bioprodukten.

Zivilgesellschaftlicher Aufbruch

Wir Grünen wollen darüber hinaus ein „Bürgernetzwerk Bildung Paderborn” ins Leben rufen. Gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten brauchen mehr Unterstützung als die Lehrkräfte sie allein in den Schulen leisten können. Und sie brauchen diese Unterstützung und Ermutigung jetzt. Damit die Kinder und Jugendlichen bessere Chancen in der Schule und im Leben haben, sollen sie von Lese- und Lernpatinnen oder -paten in den Schulen mit gefördert werden.

Ich bin mir sicher, dass es gelingt, einen solchen zivilgesellschaftlichen Aufbruch, ein solches bürgerschaftliches Engagement in Paderborn starten zu können.

Ich kann Engin Sakal, dem Vorsitzenden des Migrationsbeirats nur beipflichten, wenn er angesichts der beeindruckende Solidarität und des tiefen Mitgefühls, die sich gestern in dem Trauermarsch für Kardelen und ihre Eltern ausgedrückt haben, sagt:

„Ich wünsche mir, dass alle Bevölkerungsgruppen auch über den heutigen Tag hinaus so zusammenhalten und zusammen leben.”

Der gestrige Trauermarsch hat gezeigt, welche Kraft in den Bürgerinnen und Bürgern in Paderborn steckt, gerade angesichts und trotz des entsetzlichen Verbrechens, in dem das Grauen seine Fratze gezeigt hat. Es ist ein Hoffnungszeichen, dass gestern in Paderborn durch BürgerInnen und Bürger gesetzt worden ist.

Es ist die zivilgesellschaftliche Kraft, die wir brauchen, die sich auch in den 45000 Unterschriften und in dem Engagement der Bürgerinitiative gegen die MVA-Giftschleuder zeigt.

Ich möchte in dieser Gemeinschaft meinen Beitrag leisten.

Ich möchte meine Kraft und meine Ideen mit Ihnen und euch gemeinsam und mit den Bürgerinnen und Bürgern für die Zukunftsgestaltung meiner, unserer Heimatstadt Paderborn einsetzen. Dafür möchte ich um das Vertrauen der PaderbornerInnen werben.

Dafür bitte ich heute um euer Vertrauen und eure Stimme.

Es ist Zeit für Veränderung,

Zeit für Veränderung in Paderborn.

Zeigen wir Heinz Paus und der CDU die grüne Karte.