Antrag zur sozialen Beschaffung

Für die Kreistagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Jörg Schlüter den folgenden Antrag zur sozialen Beschaffung in den Kreistag eingebracht:

Der Kreis Paderborn nimmt die Grundprinzipien sowie die Kernarbeitsnormen nach den ILO-Konventionen in seine Ausschreibungen und Vergabeverträge mit Lieferanten zur öffentlichen Beschaffung auf.

Der Kreistag wird bis auf Weiteres jährlich über Erfolge und Probleme unterrichtet.

Begründung:

Die ILO ( International Labor Organisation ) ist eine Unterorganisation der Vereinten Nationen.

Die Grundprinzipien lauten:

  • Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
  • Beseitigung der Zwangsarbeit
  • Abschaffung der Kinderarbeit
  • Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf

Die Kernarbeitsnormen umfassen folgende Übereinkommen:

Seit dem 1. Februar 2006 reformieren die europäischen Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG auch das deutsche materielle Vergaberecht. Eckpfeiler des neuen Rechts sind die (marginale) Erhöhung der Schwellenwerte, neue Mechanismen der elektronischen Vergabe und eine Regelung der so genannten vergabefremden Aspekte. Die beiden neuen Richtlinien hätten vom Gesetzgeber schon zum 31. Januar 2006 in deutsches Recht umgesetzt werden sollen. Dies erfolgte nur teilweise und verspätet mit Wirkung ab 1. November 2006 durch die Änderung der Vergabeverordnung und die VOB/A 2006, VOL/A 2006 sowie VOF 2006.

Erst am 24. April 2009, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zu Modernisierung des Vergaberechts wurden die EU-Richtlinien vollständig umgesetzt, darunter auch die explizite Zulassung sozialer und ökologischer Aspekte (die häufig, aber sachlich unzutreffend, als vergabefremd bezeichnet wurden) bei der Auftragsvergabe. Des Weiteren wurde die Pflicht zur Aufteilung in Fach- und Teillose verschärft. Dies soll zur Förderung von mittelständischen Unternehmen beitragen. Im Rechtsschutzverfahren wurde die Rügeobliegenheit des Bieters verschärft. Ein Bieter muss nun alle Verstöße gegen die Vergaberegeln unverzüglich rügen und nicht nur Verstöße, die bei der Vergabebekanntmachung erkennbar sind.

Somit sind alle rechtlichen Grundlagen geschaffen, soziale Aspekte konkret bei der Auftragsvergabe zu berücksichtigen. Möglichkeiten zur Umsetzung vor Ort gibt es genug. Sei es die Beschaffung von Dienstkleidung, Natursteine für den Bau diverser Einrichtungen, Bälle für diverse Sportstätten, Lebensmittel in ( verpachteten ) Kantinen, Computer, Feuerwehrausstattungen oder der Kauf von Blumen für Jubiläen usw.

Ca 300 Mrd. Euro gibt der Staat jährlich für öffentliche Aufträge aus. Das sind 13 % des Bruttoinlandproduktes. Ein beträchtlicher Teil hiervon wird von deutschen Kommunen aufgewendet. Diese haben somit eine enorme Marktmacht, die für einen nachhaltigen sozialen Umbau der Wirtschaft eingesetzt werden kann!

Bisher wurde nach dem Motto verfahren: An den billigsten Anbieter geht der öffentliche Auftrag. Die niedrigsten Preise bietet naturgemäß derjenige, der am billigsten produziert. Bei allen Wertschöpfungen, in denen der Mensch als Produktionsfaktor eine Rolle spielt, erwirbt daher derjenige einen Vorteil, der für geleistete Arbeit wenig oder nichts bezahlt, indem er ausbeuterische Kinderarbeit oder Sklaverei betreibt. Mehrkosten entstehen also jenen Unternehmen, die sich derartiger Praktiken nicht bedienen.

Diese Mehrkosten müssen als gerechtfertigt angesehen werden.

Ebenso wenig werden Produkte eingekauft, die im Widerspruch zu anderen ILO-Konventionen produziert und vertrieben wurden.

Auch wenn der Kreis Paderborn die Einhaltung aller Kriterien nicht selbst vollständig kontrollieren kann – dazu fehlt sicherlich das Personal und die Unternehmen wissen dass-, so kann er doch entsprechenden Druck zur Einhaltung der Vorgaben aufbauen. Alle BieterInnen müssen den in der Anlage unter §Y genannten Passus unterschreiben.

Eine beispielhafte, zusätzliche Vertragsklausel, mit der die AuftragnehmerInnen entsprechend verpflichtet werden, ist als Anlage beigefügt.

Weitere Kontrollmöglichkeiten für den Kreis Paderborn, sind, soweit möglich, die Einforderung entsprechender Siegel.

Orangensaft, Tee, Kakao, Kaffee, Honig, Wein, Zucker, Reis etc. ( z.B. Transfair-Siegel )

Blumen ( z.B. FLP-Siegel )

Bodenbeläge, Teppiche ( z.B. GoodWeave-Siegel )

Steine, Grabsteine ( z.B. Xertifi-Siegel )

Diese Liste der verfügbaren Siegel wird vom Kreis Paderborn gepflegt, erweitert und in die Ausschreibungen, Vergabekriterien aufgenommen. Eine entsprechende Formulierung könnte sein:

„Die Erfüllung der vorgenannten Anforderungen gilt als nachgewiesen, wenn eine entsprechende Zertifizierung, z.B. durch das Transfair-Siegel, erfolgt ist.“

Anlage

§ X Beachtung der Grundprinzipien und Kernarbeitsnormen der IAO

(1) Die/Der AuftragnehmerIn und seine UnterauftragnehmerInnen sind verpflichtet, bei der Ausführung des Auftrages die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit gemäß der Erklärung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) vom 18.06.1998 einzuhalten. Es sind dies: die Vereinigungsfreiheit und das Recht zu Kollektivverhandlungen, die Beseitigung aller Formen von Zwangsarbeit, die Abschaffung der Kinderarbeit und die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

(2) AuftragnehmerInnen und UnterauftragnehmerInnen sind insbesondere verpflichtet, bei der Ausführung des Auftrages die Vorschriften einzuhalten, mit denen die entsprechenden Kernarbeitsnormen der IAO in nationales Recht umgesetzt worden sind; bei den Kernarbeitsnormen handelt es sich um die Übereinkommen Nr. 29, Nr. 87, Nr. 98, Nr. 100, Nr. 105, Nr. 111, Nr. 138 und Nr. 182. Maßgeblich sind dabei die Vorschriften des Landes, in dem die/der AuftragnehmerIn oder seine UnterauftragnehmerInnen bei der Ausführung des Auftrages jeweils tätig werden. Handelt es sich dabei um ein Land, das eine oder mehrere Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert oder nicht in nationales Recht umgesetzt hat, so sind Auftragnehmer und Unterauftragnehmer verpflichtet, die innerstaatlichen Vorschriften mit gleicher Zielsetzung wie die betreffende Kernarbeitsnorm einzuhalten.

(3) Bei Sachlieferungen ist die/der AuftragnehmerIn verpflichtet, nur solche Waren zu liefern, bei deren Herstellung die in Absatz 1 erwähnten Rechte und Prinzipien sowie die in Absatz 2 erwähnten Vorschriften eingehalten wurden. Herstellung in diesem Sinne umfasst die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung und alle folgenden Be- und Verarbeitungen. Wesentlich ist eine Be- oder Verarbeitung dann, wenn sie nach dem Zollrecht der EU den Ursprung der Ware in dem betreffenden Land begründet.

(4) Verstößt die/der AuftragnehmerIn oder einer seiner UnterauftragnehmerInnen gegen eine Regelung der Absatz 1 bis 3, so kann der Auftraggeber eine Vertragsstrafe in Höhe von 10 % des vertraglich vorgesehenen Entgelts (ohne Umsatzsteuer) verlangen. Betrifft der Verstoß nur einen Teil der Leistung, so fällt die Vertragsstrafe anteilig an.

(5) Bei einem Verstoß gegen eine Regelung nach  Absatz 1 bis 3 handelt es sich um eine erhebliche Pflichtverletzung des Auftragnehmers / der Auftragnehmerin, so dass der Auftraggeber vom Vertrag zurücktreten und Schadensersatz verlangen kann. Weitere gesetzliche Ansprüche bleiben unberührt.

§Y

Ich bin / Wir sind uns bewusst, dass eine wissentliche falsche Erklärung meinen / unseren Ausschluss von diesem und weiteren Vergabeverfahren zur Folge hat. Ich stimme / Wir stimmen zu, dass diese Erklärung an Dritte, insbesondere Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen ausbeuterische Kinderarbeit und andere Verletzungen der vorgenannten Normen und Absprachen engagieren, weitergegeben werden darf.