Hilfe: Die Generalisten werden auf Pflege und Patienten losgelassen – Kommentar von Werner Jülke zum Tag der Pflege

Der Geburtstag der berühmten Krankenschwester Florence Nightingale am 12. Mai gilt weltweit als „Tag der Pflege“.  Die Begründerin der Gesundheitsfürsorge und des modernen Sanitätswesen setzte Standards durch eine Ausbildung von Berufsanfängern vor allem durch erfahrene Pflegekräfte. Jetzt doktere die Bundesregierung an dem Konzept herum, kritisiert der grüne Stadtsprecher und das Kreistagsmitglied Werner Jülke, der den Kreisausschuss für Soziales und Gesundheit leitet. Den Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit und Alter ärgert, dass in der Pflegeausbildung der „Generalist“ kommen soll.

„Laut Duden ist das jemand, der nicht auf ein bestimmtes Gebiet festgelegt ist“, erläutert Jülke.  „Die Bundesregierung plant, die drei Ausbildungen in der Gesundheits- und Krankenpflege, der Kinderkrankenpflege sowie der Altenpflege in einer Basisqualifizierung zusammenzuführen. Die Ausbildungsreform soll 2018 greifen. Möchten Patienten, wenn sie Hilfe und Unterstützungsbedarf benötigen, von einem Generalisten gepflegt werden?  Bestimmt nicht! Das wird aber der Fall sein, wenn das Gesetz zur Reform der Pflegeberufe Wirklichkeit wird. Das bedeutet Abschaffung der bisherigen gewachsenen Berufsbilder, mit den fachspezifischen Kompetenzen, frei nach dem Motto „einer für alle“.

Zunächst ist es sehr positiv, dass die Bundesregierung den Pflegeberuf aufwerten möchte. Es muss was geschehen, um den Beruf attraktiver werden zu lassen und die Grenzen zwischen den einzelnen Berufen durchgängiger zu machen.  In Anbetracht der zu erwartenden Versorgungslücke ist das eine gute Idee.

Natürlich gibt es eine große Schnittmenge in den drei Berufsfeldern. Die Zahl der Mehrfacherkrankten und dementen Menschen steigt und diese werden natürlich auch vermehrt im Krankenhaus versorgt. In der Altenpflege weiß man natürlich sehr gut, wie diese Patienten optimal versorgt werden können. Bestimmte Abläufe und Techniken sind in den drei Berufsgruppen ähnlich. Trotzdem gibt es in der Versorgung der Menschen große Unterschiede. Die Pflege kranker Erwachsener, pflegebedürftiger Älterer und kranker Kinder über einen Kamm zu scheren, ist fatal und kann nicht funktionieren.

In unserer rasch alternden Gesellschaft bedarf es auch gut ausgebildeter Spezialisten. Es ist unwahrscheinlich, ob der Qualitätsanspruch in einer generalistischen Ausbildung gewährleistet ist.

Soll der Beruf attraktiver werden, so muss nicht mit der Ausbildung begonnen werden, sondern bei den Arbeitsbedingungen. Das fängt bei der ungleichen und unzureichenden Bezahlung an, geht weiter über den knappen Personalschlüssel mit viel zu wenig Zeit für Pflegeverrichtungen zur Schichtarbeit und mangelnden Aufstiegschancen.

Für die Pflegenden wäre es besser wenn der Gesetzgeber ein Gesamtpaket Pflege schnüren würde, das u.a.  die Pflegetätigkeit auch finanziell  aufwertet. Des Weiteren müssen bessere strukturelle Bedingungen geschaffen werden. Es ist genügend Geld im System, aber es kommt nicht an den richtigen Stellen an. Würden wir das System grundlegend auf den Kopf stellen, wäre eine weitaus bessere und menschenwürdigere Pflege möglich. Dazu wären allerdings weitreichender Reformen notwendig,  als ein neues generalistisches Ausbildungsgesetz in der Pflege. Wir benötigen einen verbesserten Stellenschlüssel der sich an den Bedarfen der Menschen orientiert. Es würde die Bedingungen der Pflegekräfte um einiges verbessern, wenn eine Differenzierung in den Abrechnungsverfahren die Pflegeleistungen, als eigenen Faktor mit berücksichtigen würde. Ein weiterer entlastender Faktor wäre der Abbau des Bürokratieaufwandes.“

Am Rande einer Diskussion über die generalistische Pflege zeigt das Foto von rechts: Prof’in Dr. Annette Bernloehr aus der Hochschule für Gesundheit in Bochum, Werner Jülke, die gesundheitspolitische Sprecherin Maria Klein-Schmeink (MdB), Manuela Grochowiak-Schmieding (MdL), in der Fraktion zuständig für Sozialpolitik, und Robert Böhle vom Fachseminar für Altenpflege im Johannesstift Paderborn.