“Europäischer Reform-Aufbruch gegen populistische Dominoeffekte” – Kommentare zum Brexit

“Der Brexit ist ein historischer Rückschlag für die Europäische Union aber nicht ihr Ende. Das Ergebnis muss respektiert werden. Der Fehler des “weiter so” nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden darf jetzt nicht wiederholt werden: Europa muss sich lernfähig zeigen und verändern. Die Reformen dürfen nicht durch die Regierungschefs unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt werden,” kommentiert Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europaparlament den Ausgang des britischen Referendums.

“Jetzt darf es kein Einigeln der Europäer geben, sondern einen Aufbruch zu Reformen. Wir brauchen Reformen für mehr Handlungsfähigkeit, Gerechtigkeit und Demokratie in Europa. Einsicht für die notwendigen Veränderungen kann Hoffnung machen und einem populistischen Domino- Effekt in Frankreich, Italien, den Niederlanden und weiteren Ländern entgegen wirken. Europa darf sich jetzt nicht die falsche Therapie

verschreiben: Nicht zu viel Europa ist das Übel, sondern die Hinterzimmerpolitik. Um die gefühlte Ferne zu den Bürgern zu verringern, müssen die Türen im Ministerrat aufgestoßen werden. Dafür braucht es eine Allianz der europäischen und nationalen Parlamentarier.

Europa muss für sozial Abgehängte Hoffnungsträger statt Feindbild sein.

Das Brexit-Referendum und die Wahl in Österreich zeigen: Die europäischen Gesellschaften sind tief gespalten. Viele Menschen wollen Kontrolle und Sicherheiten zurück gewinnen. Die Rückkehr zum Nationalstaat per EU-Austritt bietet jedoch nur ein falsches Versprechen von Unabhängigkeit. Kleine europäische Nationalstaaten können angesichts globaler Herausforderungen Selbstbestimmung und Stabilität nicht wiederherstellen. Überall dort, wo der Nationalstaat verwundbar ist, kann er mehr Kontrolle durch die Zusammenarbeit in der EU erreichen. Hier muss sich Europa jetzt beweisen. Gleichzeitig müssen wir das schiefe Bild über Europa geraderücken: Die EU ist nicht eine Bedrohung, sondern sinnvolle Weitentwicklung für den Nationalstaat.

Für Großbritannien muss es jetzt faire Austrittsverhandlungen geben.

Der Europäische Binnenmarkt aber auch der Handel mit Großbritannien ist wirtschaftlich eine Erfolgsgeschichte. Weder darf nun an den Briten ein Exempel statuiert noch Rabatt gegeben werden. Großbritannien den gewünschten offenen Zugang zum gemeinsamen Markt ohne gemeinsame Regeln zu geben, wäre eine große Dummheit. Die vier Grundfreiheiten Europas gibt es als Gesamtpaket. Die Freiheit des Kapitalverkehrs für die City of London gibt es nicht ohne Freizügigkeit für die Bürgerinnen und Bürger”,  soweit Sven Giegold

“Herber Eückschlag für die europäische Integration” – Stimmen aus der NRW-Landtagsfraktion

“Als überzeugter Europäer kann man das Ergebnis des britischen Referendums nur tief enttäuscht zur Kenntnis nehmen. Dass eine knappe Mehrheit der Britinnen und Briten ihre Zukunft nicht in der Europäischen Union sieht, stimmt uns traurig. Jetzt müssen faire Austrittsverhandlungen folgen”, erklärt erklärt Mehrdad Mostofizadeh, NRW-Fraktionsvorsitzender zum Ausgang des Brexit-Referendums.

“Es ist aber zu kurz gesprungen, den Ausgang des Referendums als Ergebnis einer emotionalisierten Angstkampagne ewiggestriger Rechtspopulisten zu bewerten. Ja, es gibt Vorbehalte gegen die Europäische Union, nicht nur in Großbritannien. Deshalb müssen wir Europa ein starkes politisches Fundament geben. Es braucht jetzt eine nüchterne Auseinandersetzung darüber, wie die EU mit allen 27 künftigen Mitgliedsstaaten fortentwickelt werden kann, um mehr Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Wachstum und Nachhaltigkeit für alle zu erreichen. Europa kann seine Krise nur überwinden, wenn es die sozialen Sorgen und Ängste seiner Bürgerinnen und Bürger beantwortet.”

Der europapolitischer Sprecher der grünen NRW-Fraktion im Landtag NRW: Stefan Engstfeld meint:  “Ein trauriger Tag für die EU und für Nordrhein-Westfalen. Wegen unserer vielen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Verflechtungen hat sich auch der Landtag NRW im Mai dieses Jahres deutlich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen. Der heutige Tag zwingt uns Europäer und Nordrhein-Westfalen endlich zu entscheiden, wohin wir wollen mit der EU.

Das Abstimmungsergebnis ist auch ein herbe Niederlage für den britischen Premier David Cameron. Sein Rücktritt ist folgerichtig. Durch seine politisch verantwortungslose Kurzsichtigkeit hat er das europäische Friedensprojekt massiv gefährdet. Dieser historische Rückschlag für die europäische Integration geht in Teilen auf sein Konto. Er beschert seiner Bevölkerung zugleich eine innerstaatliche Debatte. Die Schotten und Nordiren haben deutlich für einen Verbleib in der EU gestimmt, auch die jungen Britinnen und Briten sehen ihre Zukunft in der Union.”