Petra Tebbe: “Paderborner*innen haben ehrlichen Haushalt verdient” – Grüne lehnen Etat ab

Fraktionssprecher Petra Tebbe hält für die Grünen die Haushaltsrede. Ihr Fazit:  Der Etat 2017 ist nicht zustimmungsfähig. Hier ihre Rede:

Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,

als wir letztes Jahr im Dezember den Haushalt verabschiedet haben, waren die zu uns kommenden Flüchtlinge Thema fast jeder Haushaltsrede. Inzwischen verschieben sich die Aufgabenschwerpunkte von der Unterkunftsbeschaffung zu integrativen Maßnahmen.

Es bestätigt sich, dass es gut war und ist

  • dass die Stadt Paderborn auf eine möglichst dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge gesetzt hat  und
  • es war gut, dass wir dieses Jahr Frau Kopp und Frau Herbst ein erweitertes Team an die Seite gestellt haben.

Unser besonderer Dank gilt in diesem Jahr Frau Kopp als Flüchtlingskoordinatorin und ihrem Team, aber auch allen anderen zuständigen Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern, die durch die höhere Zahl von Flüchtlingen besonders gefordert waren.

Festgehalten werden muss aber auch, dass wir die Situation ohne die zahlreichen Ehrenamtlichen nicht so gut gemeistert hätten. Diese tragen zu einer gelingenden Integration ganz maßgeblich bei. Diese Ehrenamtlichen sind diejenigen, die die Amtsschreiben übersetzen und erklären, die Dolmetscher organisieren, die bei Arztbesuchen begleiten, bei Behördenterminen, bei der Anmeldung für den Kindergarten helfen, die nun Umzüge mit organisieren und vielen Flüchtlingen immer mit Rat und vor allem auch mit Tat beiseite stehen. Dabei geraten viele an die Grenzen ihrer Belastbarkeit und verzweifeln auch manches Mal am Zuständigkeitsdschungel.

Herr Dreier, Sie haben diesen Ehrenamtlichen schon oft gedankt; die grüne Fraktion möchte es heute ausdrücklich ebenso tun. Dieser ehrenamtliche Einsatz ist nicht hoch genug zu schätzen für einen guten Start der Flüchtlinge hier bei uns in Paderborn.

Herr Bürgermeister, sehr geehrte Ratskolleginnen und -kollegen,

Haushaltsberatungen geben uns Ratsvertreter*innen insbesondere die Möglichkeit, unsere politischen Vorstellungen für die Entwicklung Paderborns, einzubringen. Und das sollte mehr sein als ein Sperrvermerk hier, ein Kürzen und Schieben dort und Blumen für die Innenstadt.

Im Übrigen ist die Rolle der FDP als Sparkommissar nicht wirklich ernst zu nehmen, wenn der Fehlstart beim Kauf des Hoppenhofs, Mehrkosten für die Stadt von einer ¾ Mio. verursacht hat und dies als „unglückliches Ergebnis der Verhandlungen“ von der FDP abgetan wird.

Besonders muss man sich aber die Augen reiben, wenn Ratsvertreter*innen , die dafür angetreten sind und gewählt wurden, die Alternative für Paderborn zu sein, wieder ein Jahr haben verstreichen lassen, ohne auch nur einen einzigen Antrag einzubringen, der diese alternative Politik dann auch mal belegt. Da wird – wie im Schulausschuss – mächtig kritisiert, aber wo war der entsprechende Antrag für die Forderung und dann bitte auch mit der finanziellen Auswirkung unterlegt?

Wir Grünen sind bei der Wahl mit einem klaren Profil angetreten. Dieses verlieren wir nicht aus dem Blick, das zeigen unsere zahlreichen und differenzierten Anträge:

Wir wollen in und für Paderborn:

  • mehr Klimaschutz auch durch kommunale Maßnahmen
  • mehr und vor allem sicheren Radverkehr
  • ernstgenommene und ernsthaft vorangebrachte Quartiersarbeit
  • ein Mehr an Kultur Leben und Erleben
  • mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander für alle Bürgerinnen und Bürger Paderborns unabhängig vom Einkommen
  • ein generationsübergreifendes Sportangebot
  • einen ehrlichen Haushalt ohne unnötige Polster in den Ausgabenpositionen

Lassen Sie mich einige Anträge herausgreifen:

Klimaschutz

Wir Grünen wollen, dass die Stadt mehr Solarenergie nutzt. Deshalb beantragten wir den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf  städtischen  Gebäuden schneller voranzutreiben.

Nach Auskunft von Herrn Herrmann in der Ausschusssitzung im August kann die Verwaltung auch weitere Anlagen mit dem bestehenden Personal abwickeln. Die Verwaltung hat zudem  dargelegt, dass die Photovoltaikanlagen sich bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren, nach 10-12 Jahren amortisiert haben. D.h. die Stadt würde bis zu 10 Jahren mit diesen Anlagen einen Gewinn einfahren.

Werte Ratskollegen von der CDU und FDP: Mit Ihrer Ablehnung handeln Sie nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich verantwortungslos! Hier entscheiden Sie rein ideologisch.

Für das vorgesehene Parkhaus an der Bahnhofstr. haben wir eine Überdachung mit Solarpaneelen beantragt, aber CDU und FDP verschieben dieses wichtige Vorhaben Jahr für Jahr. Wir fragen uns, wo Sie den Bahnpendlern Parkplätze anbieten wollen, wenn es an der Florianstr, mit anderen Vorhaben losgeht.

Das stärkste Klimaschutzpotential liegt für die Stadt Paderborn aber in der Verkehrspolitik. Die CDU hat sich ja nun endlich dazu durchringen können, der Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Städte NRW beizutreten – bei der FDP wird ja selbst das abgelehnt – aber eine spürbare Förderung des Radverkehrs  – dazu ist die CDU nicht bereit.

Wir Grünen haben gefordert, die Einhaltung der sogenannten „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA)“ zu überprüfen,  damit die Schwachstellen im Radwegenetz erfasst, priorisiert und beseitigt werden können. Mit Ihrer Ablehnung verhindern Sie nicht nur einen attraktiven Radverkehr, sondern vor allem auch einen sicheres Radwegenetz für unsere Bürgerinnen und Bürger.

Quartiersarbeit:

Das Quartier ist das tragende Fundament unserer Stadtgesellschaft, gerade in einer sich immer mehr in Richtung Individualisierung hin entwickelnden Zeit. Eine Investition in die Quartierskoordination ist eine Investition in die Zukunft des guten Zusammenlebens in Paderborn! Wir halten einen hauptamtlichen Koordinator der Quartiersarbeit für notwendig. Wir brauchen einen konkreten Ansprechpartner mit Überblick sowohl über das komplexe Quartiersgeflecht der Stadt als auch über die vielfältigen finanziellen und konzeptionellen Fördermöglichkeiten des Landes NRW. Es bedarf einer professionellen Begleitung aller beteiligten Träger, Initiativen und Projekte. Eine Begleitgruppe, die sich 2 Mal im Jahr trifft, ist wichtig, aber ersetzt keinen hauptamtlichen Koordinator.

Und lassen sie mich nach der Diskussion im Ausschuss anmerken: Koordinieren heißt nicht Eigeninitiativen stoppen oder Gleichmacherei. Koordinierung hat für uns damit auch überhaupt nichts mit Bevormundung zu tun. Nein, Bevormundung ist, wenn die Verwaltung der  Förderbedingungen wegen bei einem Förderantrag für einen Kindergarten ein Quartiersbüro plant, ohne darüber vorher mit der betroffenen Initiative gesprochen zu haben.

Mehr Kulturerleben in Paderborn

Mit zahlreichen Anträgen wollten wir das Leben und Erleben von Kultur voranbringen.

Museen und Galerien sollen wieder eintrittsfrei werden. Die Einführung der Eintrittsgelder beruht auf einem Vorschlag von Rödl und Partner aus 2010 und wurde nur allzu gerne von den Mehrheitsfraktionen CDU/FDP übernommen.

Es ist weniger die Höhe des Eintritts, mehr wohl eine empfundene Hürde, die am Museumsbesuch hindert. Fest steht; es bleiben Besucher fern, und das kann nicht Ziel eines Museums sein. Anlässlich der bevorstehenden Neueröffnungen unserer Museen  sollte die seinerzeit falsche Entscheidung rückgängig gemacht werden. Viele Beispiele bundesweit belegen, dass mit kostenfreien Eintritten Museen funktionieren.

Noch deutlicher als bei den Museen ist der Nutzerrückgang bei der Stadtbibliothek seit Einführung der Jahresgebühr zu verzeichnen. Deshalb fordern wir auch diese abzuschaffen. Aber auch da machen CDU und FDP nicht mit!

Um darüber hinaus die Attraktivität der Stadtbibliothek weiter auszubauen wollten wir für den geplanten „Raum der Inspiration“ eine finanzielle Ausstattung. Und auch die Medienzahl soll unserer Ansicht nach erhöht werden; letzteres würde 10.000 Euro kosten und scheitert bei CDU und FDP daran, dass der Haushalt konsolidiert werden muss.

Aber 8.000 Euro für einen Mühlstein auf einem Kreisel, der wird einfach abgenickt. Da spielt Konsolidierung gar keine Rolle.

Schon gar nicht kann Konsolidierung ein Gegenargument sein, wenn einer von uns beantragten Ausgabenkürzung nicht zugestimmt wird, obwohl das Potential deutlich nachvollziehbar ist.

Und da haben wir es uns nicht so einfach gemacht wie die CDU und FDP vor vielen Jahren und nur eine Pauschalkürzung beantragt.

Wir haben detailliert aufgezeigt in welchen Ausgabenkonten unbegründet hohe Beträge stecken. Und Herr Dreier, wenn sie sagen „mehr war nicht zu sparen, alle Ausgaben standen auf dem Prüfstand“ verweise ich auf die letzten Jahre:  sehr deutlich weicht Jahr für Jahr in den von uns genannten Konten der Plan wesentlich vom Ergebnis ab. Und das wird auch 2017 so sein, denn alle begründeten Ausgaben haben wir berücksichtigt. Das wissen Sie und das ist der Puffer von 2,5 Mio. Euro, den die Verwaltung sich verschafft.

Und dann sind Aussagen darüber, wie nah wir vor einer Haushaltssicherung stehen und dass die Ausgleichsrücklage in 2017 fast aufgebraucht sein wird, eben auch nur eingeschränkt glaubhaft. Wir meinen, die Paderborner Bürgerinnen und Bürger haben einen ehrlichen Haushalt verdient und werden auch weiterhin hierauf unser Augenmerk legen.

Diesen Haushalt können wir daher nicht mittragen und werden ihn heute ablehnen.

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, wir haben uns im letzten Quartal intensiv  mit dem Haushalt  beschäftigt, wir haben in den Ausschüssen um manche Position intensiv gerungen und auch heute in den Reden werden die inhaltlichen Unterschiede unserer Fraktionen deutlich. Das ist richtig und wichtig in einer Demokratie.

Was mich – und das geht bestimmt vielen von Ihnen genauso  – aber in diesem Jahr mehr als jede Haushaltszahl umgetrieben hat, ist die Frage, was wir gerade für eine gesellschaftliche und politische Entwicklung erleben, in den USA, in Europa, in Deutschland und auch hier in Paderborn.

  • Warum gewinnen Hetzer, Rassisten, Menschen, die nur einfache populistische Antworten auf komplizierte Probleme geben, an Zulauf?
  • Warum haben Emotionen  anscheinend Vorrang vor allen Fakten?

Und ich nehme nicht einfach hin,

  • wenn immer wieder behauptet wird „der besorgte Bürger findet kein Gehör von denen da oben“.
  • wenn die sogenannte Alternative eine Spaltung vornimmt zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den von eben diesen demokratisch gewählten Vertretern, in dem sie  von „dem Volk“ und „denen da oben“ sprechen.

An alle Ratsfraktionen wenden sich Bürgerinnen und Bürger in Paderborn und wir alle prüfen, ob wir die Anliegen aufgreifen können und Lösungen finden. Die Parteien veranstalten Bürgerversammlungen zu lokalen Themen. Unsere Bundestags- und Landtagsabgeordneten haben viele Anfragen von  Bürgerinnen und Bürgern und treffen sich zu Gesprächen.

Herr Dreier, werte Ratskolleginnen und Ratskollegen,

ich möchte meine Rede und das Ratsjahr abschließen und dazu auffordern:

  • lassen Sie uns noch mehr aufzeigen, dass man sich in Demokratien sehr wohl in Politik einmischen kann und der Weg insbesondere in der Kommunalpolitik nicht weit ist,
  • lassen Sie uns transparent und bürgernah arbeiten,
  • lassen sie uns weiterhin faktenreich, manchmal durchaus hitzig, aber dennoch respektvoll im Miteinander um die Sache streiten,
  • lassen Sie uns deutlich machen, dass wir unsere Zeit und Kraft nicht aus Eigennutz in die Ratsarbeit stecken, sondern weil wir uns verantwortlich fühlen, Paderborn lebenswert zu erhalten und gestalten.
  • lassen Sie uns dies
  • gemeinsam als Rat den Populisten auch in Paderborn deutlich entgegen stellen.

Vielen Dank!