Solide aber mit kleinen Schwächen: Guido Reitmeyer über den Haushalt in Borchen

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Allerdissen, sehr geehrte Damen und Herren,

zunächst einmal bedanken wir uns bei Herrn Klare als Kämmerer sowie der Verwaltung für die
Aufstellung des Haushaltsentwurfs. Gleiches gilt für Herrn Bürgermeister Allerdissen, der unserer
Fraktion, für Nachfragen, Erläuterungen und Anregungen zur Verfügung stand.

Solider Haushalt

Ja, der Haushalt ist wirklich solide und handwerklich einwandfrei. Allerdings ist er aber auch so
grundsolide, dass er, ich habe lange mit mir gerungen ein passendes Wort zu finden, eher
„unscheinbar“ ist. Bitte nicht falsch verstehen, das geht nicht ansatzweise in die Richtung der
Verwaltung oder in die Richtung von Herrn Klare. Die Leitplanken, die uns (in) Borchen damit gesetzt
werden, sind so eng, dass Lenkbewegungen kaum durchgeführt werden können. Jeder von uns weiß,
wie schön es ist, ein Auto großzügig zu steuern und den Raum auszunutzen, so man ihn denn hat.
Gerne würden wir auch beim Haushalt Gestaltungsfelder abseits der bekannten Routen finden. Aber
dazu braucht man Luft zum Atmen, bzw. Möglichkeiten im Budget, der uns hier nicht gegeben ist.
Um es mal anders bildlich darzustellen: Bei einem derart kompakten Haushalt kommt einem der
Gedanke in den Sinn wieviel Restfeuchte aus einer Scheibe Knäckebrot wohl noch herauszuquet-
schen ist?

Letztlich überraschend war das eher nicht, da es bereits bei der Einbringung des Haushaltes
angekündigt war. Die Durchsicht offenbart aber auch ein nicht unerhebliches Dilemma. Der Horizont
bis zu der Notwendigkeit eines ausgeglichenen Haushaltes rückt unerbittlich näher. Der Griff in die
Rücklagen ist nur zeitlich begrenzt möglich.
Im letzten Jahr haben wir die Anhebung der Hebesätze für die Grund- und Gewerbesteuer
mitgetragen, um das Haushaltsdefizit etwas zu verkleinern. In diesem Jahr sind wir froh, dass wir
über eine Erhöhung nicht nachdenken müssen und somit die Bürgerinnen und Bürger nicht weiter
belastet werden müssen. Auch die Gebühren für Müllabfuhr und Abwasser konnten auf dem
bestehenden Niveau gehalten werden. Lediglich die Friedhofsgebühren sind angezogen und das, so
hoffen wir, in einem für die Bürger erträglichem Rahmen.
Der Haushalt musste aufgestellt werden, ohne einen Finanzspielraum zu haben: Der Kreis hat, man
muss wirklich sagen, seinen jährlichen Aufschlag gemacht. Mit gut 800 T€ mehr als im letzten Jahr
schlägt der mal wieder zu Buche. Das sind dann insgesamt 9,1 Mio €.
Ja, es stimmt, nach einem großen Aufschrei und auch einer Eingabe der Bürgermeister lässt man hier
einen kleinen 6-stelligen Betrag für Borchen nach – immerhin, aber viel ist das im Verhältnis nicht.
Hinzu kommt, dass der Kreis im letzten Jahr einen Überschuss von 5 Mio € gemacht hat, der zunächst
in dessen Rücklage verschwindet. – Mir fällt dazu nur eins an: Super! Das ist ein prima
Solidaritätsprinzip. Da frage ich mich schon, wo soll das enden? Käme nicht in diesem Jahr ein
gewisser Nachlass, wäre das absolut unglaublich. – Letztlich ist das natürlich nur ein Nachlass vom
Aufschlag!

Die Aufschläge bei der Kreisumlage müssen letztlich die Bürgerinnen und Bürger schultern und
finanzieren – oder anders: Sie werden auf deren Rücken ausgetragen!
Bei allem Verständnis für Sachzwänge in manchen Themenstellungen im Kreishaushalt regen wir
dringend an, auch über Einsparpotentiale auf der Ebene des Kreises zu beraten.
Insgesamt wird es ohne Änderung zur bitteren Realität werden, in absehbarer Zeit an die Bereiche
gehen zu müssen, die den Bürgern richtig wehtun. Die freiwilligen Leistungen und wiederum die
Grundsteuern werden irgendwann in den Fokus der kameralen Begehrlichkeiten rücken.
Bekanntermaßen stirbt die Hoffnung zuletzt. Es ist zwingend notwendig, dass sich die Einnahmen
wesentlich nach oben verändern müssen, denn auch die Umlagen des Kreises werden nicht eine
wundersame Trendwende verzeichnen. – Hier sind bald, besser schnellstens, neue Wege und
Richtungsentscheidungen gefragt.

Letztlich können wir froh sein, dass das Gewerbe in Borchen derzeit so gut dasteht. Die Einnahmen
belegen das auf eindrucksvolle Weise. So verrückt wie es klingt, ist es auch. Durch das solide und
nicht sprunghafte Wachstum erhalten wir wieder systembedingt mehr Schlüsselzuweisungen. Das
war einer der wenigen Lichtblicke für den Haushalt.
Mit unseren Anträgen haben wir uns dann auch auf Felder beschränkt, von denen wir uns entweder
einen langfristigen Ertrag bzw. Einsparungen versprechen und die damit den Haushalt eher
unterstützen. Ebenfalls spiegelt sich unser Spielraum wider. Wir haben dorthin geschaut, wo wir
keine neuen Kosten und somit Belastungen für den Haushalt erzeugen.

Fluglärm

Bzgl. Der Kreisumlage möchte ich auch noch kurz auf unseren Flughafen schauen. – Er hat in der
bestehenden Form seine Bedeutung in der Region. Wir müssen aber auch sehen, dass er in diesem
Jahr wiederum 1,5 Mio. € Verlust eingefahren hat. Die Verletzlichkeit mit der sich das Geschäftsfeld
des Flugverkehres darstellt, konnten wir im zurückliegenden Jahr deutlich sehen.
Über Jahre hinweg ist der Flughafen in den roten Zahlen. In der freien Wirtschaft hätte der Flughafen
längst wegen Unwirtschaftlichkeit die Insolvenz anmelden müssen. Hier aber trägt der Steuerzahler
das Defizit. Wir in Borchen tragen, vermittelt über die Kreisumlage, dieses Defizit mit.
Es besteht seitens der Betreiber und Gesellschafter ein nachvollziehbarer Druck, den Flughafen bis
zum Jahr 2020 wirtschaftlich auskömmlich darzustellen. Inwieweit sich zukünftig das volantile Low-
Cost-Geschäft insbesondere des Frachtflugs als tragfähig genug herausstellen wird bleibt
abzuwarten.

Nach unserer letzten Anfrage konnten wir zwar erfahren, dass die Gesamtzahl der Nachtflüge
weniger geworden ist, das aber nur aufgrund der Dezimierung in den Randzeiten. In der Kernzeit von
00:00 bis 05:00 Uhr verzeichnen wir ein Plus von 17%.
In der letzten Diskussion bzgl. regional- bzw. landesbedeutsam hatten wir schon darauf hingewiesen,
dass nicht aus wirtschaftlichem Interesse die Zahl der Nachtflüge erhöht werden soll. Mehr Geld,
geringeres Defizit auf der einen Seite, mehr Lärm und mehr Belastungen für die Bürgerinnen und
Bürger auf der anderen Seite: diese Gleichung tragen wir nicht mit. Es darf nicht heißen: mehr Lärm
für mehr Geld.

Sozialticket

Sehr interessant fanden wir es auch, dass die Landesregierung den Kreisen und kreisfreien Städten
beachtliche Mittel zur Verfügung stellt, um den Menschen in schwierigen Lebenslagen vergünstigte
Tickets für den ÖPNV zur Verfügung stellen zu können. Letztlich ist dies zwar eine Aufgabe des
Kreises, aber das Signal aus Borchen, sich für die Bedürftigen einzusetzen und damit ein Signal an den
Kreis zu senden, bleibt aus.
Umso bedauerlicher finden wir es, dass aufgrund der nicht absehbaren Zusammensetzung der
zukünftigen Landesregierung heute viele nicht auf diesen Topf schauen mögen.

Wind

Haben wir uns in der letzten Haushaltsrede beim Thema Wind in Borchen noch in Zurückhaltung
geübt, führt uns in diesem Jahr kein Weg mehr daran vorbei.
Mit frühzeitigen Hinweisen auf die Gefahren einer zu erwartenden gerichtlichen Überprüfung haben
wir unsere Sorge um die rechtliche Standhaftigkeit zum Ausdruck gebracht. Nun, nachdem ein
negativer Bescheid zum Flächennutzungsplan vorliegt, ist es an der Gemeinde Borchen sich für die
weitere Schritte auszurichten und die Risiken abzuwägen.
Hier möchte ich aber der heute noch folgenden Verwaltungsvorlage und der Diskussion darum nicht
vorgreifen.

Durch den Kreis sind diverse Genehmigungen für Windkraftanlagen erfolgt. Sowohl mit dem
Flächennutzungsplan als auch über diese Genehmigungen werden sich noch viele beschäftigen. Im
Rahmen des Aufstellungsbeschlusses für einen neuen Flächennutzungsplans haben wir den Antrag
gestellt, dass sich Borchen auf die veränderte Gesetzeslage des EEGs bzgl. Beteiligungen der Bürger
und auch der Gemeinde vorbereitet – und hier ging es ausschließlich darum, sich der Vorbereitung
anzunehmen.

Diese Vorbereitung sollte ergebnisoffen sein. Diesem Antrag ist der Rat knapp nicht gefolgt. Aber der
Tag, an dem wir uns darüber Gedanken machen müssen, wird kommen.
Auch wenn wir wissen, dass zur Energiewende, der Abkehr von fossilen Energieträgern hin zu
erneuerbaren Energien, die Windkraft gehört und ohne sie es aus heutiger Sicht technisch nicht
machbar wäre, möchten wir Grünen auch, dass der Abstand von Windkraftanlagen zur Wohnbe-
bauung genügend groß gehalten wird. Die berechtigten Interessen von Bürgerinnen und Bürgern auf
Lärmschutz müssen berücksichtigt werden.

In einer der zurückliegenden Sitzungen des Bau- und Umweltausschusses haben wir uns
Stirnrunzeln bzgl. unseres Abstimmungsverhaltens eingehandelt. Hier ging es um das gemeindliche
Einvernehmen zu der WEA, die auch in Minden beklagt worden ist. Im Anschluss daran, haben wir
uns vom Kreis, dort konnten wir es bekommen, das Gutachten der Kanzlei Baumeister aus Münster
zum Mindener Gerichtsurteil besorgt.

Hier haben wir Stirnrunzeln bekommen, — denn dieses Gutachten hat dann so manche Frage
aufgeworfen: In der 23. Änderung des FNPs wollte Borchen die Höhenbegrenzung auf 100 m festschreiben. So wie
es aussieht, liegt dort aber ein weiterer Formalfehler vor und es ist laut diesem Gutachten sehr
fragwürdig, ob diese gewollte Höhenbegrenzung überhaupt einer Überprüfung standhalten würde
und somit überhaupt gegeben ist.
Ich weiss nicht, wer im Rat, neben der Verwaltung, das Gutachten des Kreises überhaupt kennt, mich
hat der Inhalt auf jeden Fall erstaunt – und ich empfehle jedem – hier -, es sich anzuschauen.
Eine weitere Anmerkung möchte ich hier auch noch machen. Im letzten Haupt und Finanzausschuss
wurde über Windkraftklagen samt Risiko abgestimmt. Als Zuhörer im öffentlichen Teil bei dieser
Vorlage bekam ich mit, dass auch kurz von Verwaltungsseite aus über die Möglichkeit weitere
Informationen beizustellen, laut nachgedacht wurde und erst im Nachgang erfolgte.
Für die, die abstimmen, alles abwägen müssen, vom Risiko bis hin zur Erfolgschance ohne alle
Unterlagen auf dem Tisch zu haben – auch von verschiedenen Seiten, habe ich volles Verständnis,
wenn sie besonnen agieren.

Nun ist es aus unserer Sicht enorm wichtig, dass wir durch die schnellstmögliche Umsetzung eines
belastbaren und für die Borchener Bürger verträglichen Flächennutzungsplanes eine Steuerung des
potentiellen Zuwachses wieder ermöglichen können.
In diesem Zusammenhang haben wir auch den Antrag gestellt, die unabhängigen Beratungs- und
Informationsangebote der EnergieDialog NRW mit einzubeziehen. Diese stellt fundierte und
begleitende Beratung bis hin zur Vermittlungsverfahren sowohl der Kommune als auch den Bürgern
vor Ort zur Verfügung. Die Verwaltung konnte sich das nicht vorstellen und so haben sich die
Fraktionen darauf verständigt, EnergiedialogNRW im Bedarfsfall unabhängig von der Verwaltung
einzubeziehen. Damit möchte ich aber nun das Thema Wind verlassen.

Radwege und L751

Jährlich grüßt das Murmeltier – wir hatten das Thema schon beim letzten oder besser bei den letzten
Haushalten. Die Radwegeführung in unserem Ort bedarf dringend einer Verbesserung. Vor einem
Jahr konnten wir vernehmen, dass wir in der Priorität zum Radweg und zum Ausbau bzw.
Renovierung der L751 heraufgerutscht sind. Das war gut. Befürchtet hatten wir, dass letztlich nicht
viel passiert. Zum Glück konnten wir kürzlich der Presse vernehmen, dass es tatsächlich
weitergegangen ist. Hinnehmen müssen wir wohl, dass die Geschwindigkeit eine eigene ist. In 2018
sollen Baumaßnamen in Angriff genommen werden. Es hat zwar jetzt nicht direkt mit unserem
Haushalt etwas zu tun, dennoch sind wir gespannt und freuen uns darauf. – Zeit zur Vorfreude wird
uns ja gegeben.

Elektronische Kommunikation

Im Bereich der Einsparungen haben wir auf die elektronische Kommunikation der Gemeinde mit den
Bürgern geschaut. Mitte letzten Jahres ist das sogenannte eGovernment Gesetz in Kraft getreten. Es
ermöglicht uns viele Dinge per Mail zu erledigen.
Gerade im Bereich der Gebührenbescheide, die bislang auf postalischem Wege zugestellt werden,
bestehen aus unserer Sicht Vereinfachungs- und Einsparpotentiale mittels einer Zustellung oder
Abholung auf elektronischem Wege. Papier und Portokosten werden gespart, der Personalaufwand
reduziert sich. Dieses wollen wir in Borchen, nach unserem Antrag, nun untersuchen. Der
Dienstleister GKD hat sich laut seinem Internetauftritt bereits bzgl. eGovernment und auch virtueller
Poststellen auf den Weg gemacht, so dass von dort vermutlich die Informationen für ein Konzept
leicht erfragt werden können. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse.

Mallinckrodthof

Ja, und dann haben wir noch einen wirklichen Lichtblick. Borchens gute Stube – der Mallickrodthof
wird aufgewertet. Er wird bis zur ersten Etage barrierefrei und die Gastronomie wird ausgebaut. Das
wird Borchen gut tun. Gut tat in diesem Zusammenhang auch dem Haushalt, dass wir dazu eine
Menge Zuschüsse erhalten werden. Das sind satte 310 T€, die den Haushalt nicht belasten.
Mit diesen Punkten möchte ich hier nun erstmal schließen.

Kurz zusammengefasst:

  • Der Haushalt ist unserer Ansicht nach handwerklich gut und solide aufgestellt.
  • Inhaltlich steht er auf einem recht „schlankem Fuß“
  • … und auch in diesem Jahr musste leider wieder auf die allgemeine Rücklage zugegriffen
    werden.
  • Wir benötigen dringend Veränderungen, die das Ergebnis in eine positive Richtung weisen.

Letztlich werden wir dem vorliegendem Haushalt zustimmen.
Ich freue mich auf ein weiterhin gesundes und klimafreundliches Borchen mit hoffentlich baldigem
ausgeglichen Haushalt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit,

Guido Reitmeyer
Fraktionsvorsitzender Bündnis 90 / Die Grünen