Grüne Fraktion lehnt Kreishaushalt ab – Die Etatrede von Werner Jülke

Was sagt ein deutsches Sprichwort: Für Geld und gute Worte kann man alles haben. Dann versuch ich das mal mit Ihnen mit dem letzteren. Wir freuen uns, dass mittlerweile alle Parteien den öffentlichen Personennahverkehr im Kreis Paderborn verbessern wollen und hierfür auch Geld in die Hand nehmen wollen. Meine Fraktion hat sich in diesem Bereich in den letzten Jahren wie der einsame Rufer in der Wüste gefühlt….

Alle Anträge dazu sind zu begrüßen! Allein was die Umsetzung betrifft, wird man sich vermutlich auf lange Wartezeiten einstellen müssen. Unter dem Motto: „Jetzt machen wir erst mal nichts. Und dann warten wir ab“. Bisweilen kann man wirklich den Eindruck gewinnen, dass die „Entdeckung der Langsamkeit“ in den öffentlichen Verwaltungen zu verorten ist. So hat die CDU-Fraktion bereits vor 2 Jahren einen Antrag zur Erstellung einer Radverkehrsnetzplanung eingebracht. Zur Umsetzung wurden 50.000 Euro in den HH eingestellt. (Nur nebenbei: der fast gleichlautende Antrag meiner Fraktion aus dem Vorjahr wurde abgelehnt). Diese Summe findet man im HH 2020 erneut. Die Netzplanung für den Kreis soll nun in eine überregionale Planung eingebunden werden, um Fernverbindungen sinnvoll zu gestalten – sicher ein vernünftiger Schritt. Das bedeutet aber auch, dass noch Jahre vergehen, bis die ersten konkreten Maßnahmen umgesetzt sind. Für uns sind solche Verzögerungen höchst ärgerlich.

Die Verbesserung des ÖPNV ist dringend notwendig. Der Kreistag Paderborn hat sich kürzlich parteiübergreifend zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele bekannt und auch zur Klimaneutralität des Kreises bis 2030. Um die Klimaneutralität im Bereich Mobilität zu erreichen, ist noch viel zu tun: Es fehlen in vielen Orten attraktive, dicht getaktete Direktverbindungen ins nächste Zentrum – und zwar bis in die Abendstunden und auch am Wochenende! Und alles digital einsehbar und buchbar sowieso! Außerdem sind die Fahrpreise zu hoch. Das sehen mittlerweile auch Ihre Mitglieder der CDU im Kreis, meine Damen und Herren.

Fast alle Kreise und Kommunen müssen eigenes Geld für ihren Nahverkehr aufwenden, wenn sie ihren Bürgerinnen und Bürgern ein halbwegs akzeptables Busangebot bieten wollen. Bestes Beispiel ist die Stadt Paderborn, die den Padersprinter mit erheblichen Summen aus ihrem städtischen Etat stützt. Wenn wir im Kreis Paderborn ebenfalls ein attraktiver Standort zum Wohnen, Arbeiten und Studieren sein wollen, müssen wir mehr bieten im Nahverkehr als bisher. Und das kostet Geld! Geld, das in den Nahverkehr investiert wird, stiftet einen direkten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger! Im Gegensatz zu den Millionen Euro, mit denen der Kreis Paderborn jedes Jahr den Flughafen und damit die billige Ferienfliegerei subventioniert.

Wir verstehen deshalb nicht, weshalb unser bescheidener mit 15.000 Euro bezifferter Prüfauftrag im Kreistag abgelehnt werden soll, der die Einführung eines 1-Euro Tickets pro Fahrt während der NRW Sommerferien im gesamten Hochstift ermöglichen würde. Kinder bis einschließlich 15 Jahre kostenlos. Den Sinn dieses Antrages haben wir erläutert.

Wenn nun aber die Mehrheitsfraktion in der Hoffnung „Viel hilft viel“ gleich 100.000 Euro für den nph beantragt für „alle möglichen Zwecke“ halten wir das für viel zu unspezifisch – erst recht, wenn mit dem Geld z.B. Nahverkehrskonferenzen finanziert werden sollen. Für die im Antrag genannten Förderzwecke wie z.B. Mobilstationen gibt es bereits ausreichend Fördermittel vom Land. Außerdem hat der NPH in den zurückliegenden Jahren bereits die Errichtung von Mobilstationen gefördert.

Unser Vorschlag im Kreisausschuss, diesen HH-Posten mit einem Sperrvermerk zu versehen, bis der jeweilige Förderzweck vom Kreistag gebilligt ist, ist abgelehnt worden. Wir haben den Verdacht, dass mit diesen Mitteln aus dem Klimaschutzposten im nächsten Jahr lediglich Wahlkampf gemacht werden soll. Wir werden diesem Antrag daher nicht zustimmen.

 

Komme ich zum Thema, Antrag „Biologische Vielfalt in den Kommunen“

Meine Damen und Herren, wir finden es gelinde gesagt unglücklich, wie sie hier Kreis gegen Städte und Gemeinden ausspielen. Natürlich hat der Kreis auch hier eine empfehlende Rolle. Er kann flankierend begleiten. Ja, Sie haben vordergründig Recht, wenn sie sagen, das Bündnis ziele doch in erster Linie auf Städte und Gemeinden ab. Aber es sind doch auch Landkreise Mitglieder, wie z.B. der Landkreis Göttingen, oder der Landkreis Lüneburg. Wir wären die ersten in NRW. Was wäre der Nutzen? Der Kreis unterstützt und berät bei möglichen Umweltfragen z.B. bei Nachhaltiger Landwirtschaft, biologischer Vielfalt usw.

Auch einen öffentlichkeitswirksamen Effekt nenne ich hier. Wir reden nicht nur über Klimaschutz, sondern wir lassen uns fachkompetent beraten, um auch hier effizient und nachhaltig zu agieren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie waren ja noch nicht mal bereit, diesen Antrag in den Umweltausschuss zu verweisen. Schade, Chance vertan.

 

Der Antrag der FDP auf „Verschiebung und Überprüfung der Ausbaupläne der Kreisleitstelle“ hat einen gewissen Charme. Der Idee einer überregionalen Zusammenfassung von Leitstellen können wir Grüne nur zustimmen. Auch das Argument, dass durch die Baumaßnahme die Gefahr der Zementierung der bestehenden Verhältnisse besteht, können wir nur unterstreichen.

Wir haben uns vor Ort die beengten und für uns nicht mehr akzeptablen Verhältnisse in der Kreisleitstelle angeschaut. Hier ist eine Modernisierung zwingend notwendig und auch gut angelegtes Geld.

Aber bleibe ich noch bei dem Thema Rettungswachen. So wie einige abgewirtschaftet sind, da hätte die eine oder andere Modernisierungsmaßnahme im Bestand, mit Sicherheit der Arbeitszufriedenheit und Wertschätzung der Rettungskräfte gut getan.

 

Komme ich zum Antrag der AIDS-Hilfe Paderborn auf Ausweitung der Förderung für Beratungsleistung 2020. Dass die AIDS-Hilfe eine sehr gute HIV-Prävention und AIDS-Beratung durchführt, ist nach meinem Wissen allgemeiner Konsens.

Aus meiner ehemaligen langjährigen Erfahrung in der AIDS-Hilfe Bochum, weiß ich, dass Menschen mit spezifischen Bedarfen sich dort heimisch fühlen, wo sie Menschen begegnen, die sie verstehen. Sie kennen das auch, wie das genannt wird: Mit den Füßen wird abgestimmt. So auch bei der AIDS-Hilfe Paderborn. So ist für uns auch nachvollziehbar, dass sich die Beratungszahlen für Trans*bzw. Inter* sexuelle Menschen erhöht haben. Verbunden damit natürlich auch der Verwaltungsaufwand. Unsere Kreistagsabgeordnete Norika Creuzmann forderte daher im Sozial- und Gesundheitsausschuss jeweils eine halbe Stelle Beratung bzw. Verwaltung. Von uns aus befristet und mit Sperrvermerk, bis die AIDS-Hilfe valide Zahlen geliefert hat.

Großes Unverständnis haben bei uns die von der SPD-Fraktion beantragten Finanzmittel von 5.000€ ausgelöst. Ein netter Zuschuss, aber davon kann man keine einzige Stelle finanzieren.

 

Komme ich noch zu einem bekannten Zankapfel: Herr Landrat, meine Hochachtung für Ihren Einsatz für den Flughafen! Und das meine ich Ernst! Trotzdem gestatten Sie zwei Fragen:

  1. Wo bleibt das schon längere Zeit versprochene Drehkreuz?
  2. Wann verbessern sich die Flugzahlen? Es heißt ja immer, wir haben die Talsohle erreicht. Aus der Presse entnehme ich aber anderes.

 

Zu einem wichtigen Thema „vor Ort“.

Die notwendigen Erhöhungen in HH der Jugendhilfe trägt unsere Fraktion mit. Im Bereich der niedrigschwelligen Angebote der Freien Träger würden wir die Verantwortlichen des Jugendamtes jedoch darum bitten, Augenmaß zu halten und nicht einen überzogenen Kontrollzwang zu verfallen. Absolute Sicherheit gibt es nicht! Niedrigschwellige Angebote sind wichtig und ermöglichen Betroffenen einen guten Erstzugang zu Hilfen. Die freien Träger scheinen uns ausreichend qualifiziert, bei relevanten Vorkommnissen rechtzeitig mit dem Jugendamt Kontakt aufzunehmen.

Bücherbus und Kreismusikschule sind ein unverzichtbarer Teil des Kulturangebotes im Kreis. Beide Angebote finanziell abzusichern, halten wir für unerlässlich. Sowohl die Wewelsburg, in ihrer Funktion als Erinnerungsstätte, als auch das Kreismuseum unterstützen wir ausdrücklich. Ebenso eine zeitnahe Lösung zur Unterbringung des Kulturamtes halten wir für äußerst dringend. Ein attraktives kulturelles Angebot erhöht nicht zuletzt die Attraktivität des Kreises allgemein. Insofern wird der Kulturhaushalt von unserer Fraktion mitgetragen.

Komme ich nun zu unserem Entwurf zum Kreishaushalt 2020!

Wir wollen mit einer zusätzlichen Entnahme von 2,2 Mio. Euro aus der Ausgleichsrücklage die kreisangehörigen Kommunen stärker entlasten als im Haushaltsentwurf vorgesehen. Sämtliche eintretende Verbesserungen für den Haushalt 2020 sollen den Entnahmebetrag aus der Ausgleichsrücklage zusätzlich erhöhen, so dass noch 6,35 Mio. Euro (ca. 1,5 % des Haushaltsvolumens) in der Ausgleichsrücklage verblieben. An die Mehrheitsfraktion appelliere ich, das 2% Kriterium für Mindesthöhe der Ausgleichsrücklage über Bord zu werfen. Es hat sich als unbrauchbar erwiesen. Notwendig ist vielmehr, dass die Kreisverwaltung sich zukünftig noch besser abstimmt mit den Kreisangehörigen Kommunen.

Um die jährlich wiederkehrende Aufregung um die Höhe der Kreisumlage zu beruhigen, fordern wir die Kreisverwaltung auf, den Versuch zu wagen, eine allgemeine Vereinbarung über die Bandbreite bei der Erhöhung der Kreisumlage zu treffen, wie sie anscheinend im Kreis Lippe funktioniert. Einen Versuch wäre es wert. Mal sehen wie sich die kreisangehörigen Kommunen dazu verhalten und ob dort ein Einigungswille besteht.

Wir GRÜNE werden dem Haushalt nicht zustimmen!

Weder beim Personalhaushalt noch bei den Sachanträgen hat die Mehrheitsfraktion den Willen zur Kompromisssuche gezeigt. Vermutlich dämmert es der CDU-Fraktion, dass diese Haushaltsberatung die letzte mit einer absoluten Mehrheit gewesen sein wird. Da will man vermutlich noch einmal Allmacht demonstrieren. Schon im kommenden Jahr wird die Haushaltsberatung anders verlaufen, schauen Sie sich schon einmal in den Städten und Gemeinden im Kreis an, wie es funktioniert – wir meinen deutlich besser. In der Stadt Paderborn z.B. profitiert der ÖPNV schon im kommenden Jahr mit deutlich besseren Angeboten.

Abschied von der absoluten Mehrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU beendet ein langes Dahinsiechen. Das wird nicht leicht für sie werden.

 Da gibt es schon Erfahrungen!

Gestatten Sie mir noch einen Gedanken zu nennen. Nächstes Jahr im September ist bekannter Weise Kommunalwahl. Wäre es jetzt im beginnenden Wahlkampf nicht an der Zeit, dass wir uns Gedanken machen über die Art, wie wir in der Öffentlichkeit mit unseren Mitbewerbern umgehen? Muss es im Wahlkampf nicht auch um den Ton, die Lautstärke, die Wortwahl gehen und die Art und Weise, wie wir miteinander reden? Es geht auch um unsere eigene Haltung, wenn wir uns auseinandersetzen. Ich möchte frei nach Karl Kraus daran erinnern, dass unsere Sprache unser Bewusstsein prägt und das Bewusstsein unsere Sprache.

Abschließend danke ich Ihnen, den Vertreter der Verwaltung für die außerordentlich gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, verbunden mit der Bitte, meinen Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzugeben.

 

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Wir, die GRÜNEN wünschen Ihnen eine schöne Weihnachtszeit und ein gutes, gesundes 2020.

 

Werner Jülke,

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Vorsitzender des Sozial- und Gesundheitsausschusses