#WeRemember 

Heute vor 83 Jahren wurde die Synagoge im Herzen der Stadt in Brand gesteckt und zerstört. Ja, erst am 10. November, da zuvor die Feuerwehr die benachbarten Häuser absichern sollte. Am 9. November 1938 misshandelte der Mob die jüdischen Mitbürger*innen und randalierte planmäßig in Paderborner Wohnungen und Geschäften. Die Inhaftierten wurden ins KZ Buchenwald verschleppt. Von einem spontanen Volkszorn, wie das nationalsozialistische Regime damals behauptete, konnte nicht die Rede sein. Es geschah in aller Öffentlichkeit und es regte sich kein nennenswerter Widerstand.

Beim Gedenken auf dem Platz An der alten Synagoge lasen Schüler*innen die Namen und Alter der ermordeten Mitbürger*innen vor: Hoch betagt in den Achtzigern bis zu einem sieben Monate alten Baby. Ihre Vornamen teils überraschend aktuell.  Über Nacht bis weit in diesen Tag entstand die niedergebrannte Synagoge als eine 3D-Architektur-Video-Installation (Foto) eindrucksvoll neu und ließ viele Vorbeieilende, Nachtschwärmer wie Marktbesucher*innen, für Momente innehalten.  Paderborn war einer von 13 ausgewählten Orten, an denen Rekonstruktionen der Synagogen visualisiert wurden. Es lässt den Verlust erahnen.

Die Shoah, die kaum in Worte zu fassen sei, erklärte der Gedenkredner Domkapitular Michael Menke-Peitzmeier, müsse aber mit Blich auf gegenwärtige Lage aktiv ins Gedächtnis gerufen werden. Und ist, so lässt sich die Gedenkrede weiterdenken, eben kein „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte.

Der 9. November hätte sich gut – vermutlich besser als der 3. Oktober – als Nachdenktag über unser Land und Demokratie geeignet, weil sich an diesem Datum im Lauf der Jahrhunderte die gesellschaftlichen Entwicklungen in ihren Höhen und Abgründen besonders markant spiegeln. Neben dem Progrom 1938: 1919 die doppelte Ausrufung der Republik vom Sozialdemokraten Philipp Scheidemann und vom Kommunisten Karl Liebknecht 1919. Der von Hitler angeführte Putsch der Rechtsextremisten in München 1923. Im Zusammenhang damit 1939 das Attentat von Georg Elser im Bürgerbräukeller. Und schließlich 1989 der Fall der Mauer, als der SED-Kader Günter Schabrowski die Öffnung für „sofort, unverzüglich“ ankündigte.

Demokratie muss immer wieder aktiv gelebt werden. Und sie ist akut angefeindet, wenn wir auf den versuchten Sturm auf dem Reichstag oder die Pöbeleien im Bundestag denken, das Attentat auf die Synagoge in Halle oder die noch nicht vollständig aufgeklärte Mordserie des NSU. Wir dürfen nicht wegschauen und müssen widersprechen, wenn Menschen diskriminiert werden oder versucht wird, unsere Gesellschaft zu spalten. Das ist die Haltung, die es nicht nur am 9. und 10. November zu leben gilt.