“Neue Anforderungen zwingen zu neuen Lösungen” – Haushaltsrede von Norika Creuzmann

“Eine Rede zu Protokoll geben” ist immer undankbar, angesichts der Arbeit, die hineingeflossen ist.  Umso ärgerlicher ist dies bei der Haushaltrede im Kreistag, die eine Bilanz der politischen Debatten im Kreis zieht und Perspektiven eröffnet. Angesichts der Corona-Lage haben sich die Fraktionen im Kreistag gleichwohl darauf verständigt, ihre Reden zu Protokoll zu geben.

Deshalb haben wir die Haushaltsrede der Fraktionsvorsitzenden Norika Creuzmann auf den grünen youtube-Kanal gestellt und dokumentieren Im Folgenden die Rede zum Nachlesen.

Das youtube Video liegt unter: https://www.youtube.com/watch?v=bTVUF6FInXQ

Die Haushaltsberatungen: Ein Riesen Berg an Arbeit

„Geld erwerben erfordert Klugheit, Geld bewahren erfordert Weisheit und Geld richtig ausgeben ist eine Kunst“. Dieses Zitat des Schriftstellers Berthold Auerbach hat auch fast 140 Jahre nach seinem Tod nichts an Aktualität verloren. Es gilt umso mehr. Letztes Jahr unser Fraktionskollege Jörg Schlüter in seiner Haushaltsrede dar, dass wir mit 2020 ein „sehr besonderes und in vielerlei Hinsicht herausforderndes Jahr“ hinter uns gebracht haben. Wir hatten all unsere Hoffnung auf 2021 gesetzt, die Hoffnung, Corona in den Griff zu bekommen. Fakt ist, dass Corona nach wie vor UNS fest im Griff hat.

In den letzten Wochen haben wir uns intensiv mit dem Haushalt beschäftigt, in den Ausschüssen über Anträge mehr oder weniger ausführlich diskutiert, in den Fraktionssitzungen Positionen erarbeitet. Ich richte mich hier mit dem Wunsch an sie alle, dass wir die Planungen von Ausschüssen und Fraktionssitzungen so terminieren, dass wir in den Fachausschüssen auch ernsthaft inhaltlich diskutieren können, um dann Beschlussempfehlungen auszusprechen. Umso mehr freue ich mich über das gemeinsame Ansinnen die Haushaltsberatungen inhaltlich auf andere Füße zu stellen, es wartet ein Riesen Berg Arbeit auf uns.

Danken möchte ich den Mitarbeiter:innen der Verwaltung, die unsere politische Arbeit stets freundlich und engagiert unterstützen und auch immer für Fragen bereit stehen, von der Erläuterung umfassender Zahlenwerke bis hin zu unwichtig erscheinender Fragen, deren Beantwortung aber dennoch immer sehr hilfreich waren.

Im Folgenden möchte ich auf einige Themen eingehen, die uns in den vergangenen Monaten intensiv beschäftigten und hier kurz auf ihre für uns ganz besondere Wichtigkeit eingehen.

Wir Grünen wollen alles dafür tun, dass Klimaneutralität im Kreis tatsächlich deutlich früher als 2045 erreicht wird

Anfang dieses Jahres verabschiedete der Kreistag einen von Grünen und CDU gemeinsam eingebrachten Antrag. Mit diesem Beschluss wurde der Weg frei gemacht für einen Klimaschutzfonds in Höhe von 400.000 Euro. Die Hälfte sollte in den Bereich nachhaltige Mobilität fließen, die andere Hälfte steht für innovative Klimaschutzprojekte zur Verfügung.

Jetzt, zum Ende des Jahres, hat die Klimaschutz-AG konkrete Vorschläge vorgelegt, sodass mit dringend notwendigen Projekten begonnen werden kann. Stießen wir Grünen in den vergangenen Wahlperiodenperioden beim Klimaschutz noch regelmäßig auf erheblichen Widerstand der CDU, stellen wir jetzt befriedigt fest, dass innerhalb der AG Klimaschutz ausgesprochen kooperativ gearbeitet wird und wir in Sachen Klimaschutz Schritt für Schritt vorwärtskommen.

Noch wichtiger ist jedoch das Klimaschutzkonzept, dass wir mit diesem hier gemeinsam verabschieden. Viele Handlungsfelder sind dort hinterlegt, die jetzt mit Leben gefüllt werden müssen. Ein durchaus anspruchsvolles Ziel. Wir hoffen stark, dass dies weiterhin von der großen Mehrheit hier im Kreistag mutig angegangen wird. Denn als Deadline für die Klimaneutralität im Kreis Paderborn haben wir spätestens 2045 festgelegt. Wir Grünen wollen alles dafür tun, dass es tatsächlich deutlich früher als eben 2045 ist. Entscheidend werden dafür sicherlich auch die Rahmenbedingungen auf Bundes- und Landesebene sein.

Wenn wir auf Dauer mehr verbrauchen als uns unser Planet zur Verfügung stellen kann, dann kommt es irgendwann zum Knall. Darum beantragten wir zu prüfen unter welchen Bedingungen eine Nachhaltigkeitsstrategie für den Kreis Paderborn 2030 erarbeitet werden kann – abgeleitet von den 17 globalen Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Darüber hinaus wollen wir eine Nachhaltigkeitsberichterstattung einführen, um den Erfolg auch messen zu können.

Eine Nachhaltigkeitsstrategie für den Kreis Paderborn geht weit über das Klimaschutzkonzept hinaus. Hier geht es um ein Zukunftskonzept. Wo wollen und wo können wir hin unter Berücksichtigung der planetarischen Grenzen? Das Ziel ist, das tägliche Verwaltungshandeln an der Agenda 2030 zu orientieren – im Sinne einer wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung vor Ort und weltweit. Dazu können die Nachhaltigkeitsziele einen sehr guten Kompass bieten. Der Kreis Höxter macht es uns vor: Dort wurde in einem LEADER-Projekt die ‘Gemeinwohl-Region Kreis Höxter’ auf den Weg gebracht. Fairer Handel ist übrigens ein Schritt in diese Richtung: Borchen, Salzkotten, Bad Lippspringe und die Stadt Paderborn sind zertifizierte Fair-Trade-Kommunen. Da sollte der Kreis Paderborn nicht hinten anstehen und beispielsweise, wie die Kreise Unna und Lippe ebenfalls eine Zertifizierung anstreben.

Das Kindeswohl steht an erster Stelle und darf niemals durch künstliche Sparmaßnahmen in Frage gestellt werden.

Der Mehraufwand im Jugendhilfehaushalt innerhalb von 10 Jahren, nämlich 63,9 Millionen ist bitter, aber auch bitter nötig. Das Kindeswohl steht immer an erster Stelle und darf niemals durch künstliche Sparmaßnahmen in Frage gestellt werden. Im Gegenteil, wir sehen da eher noch einen höheren Bedarf. Uns verwundert die Kritik der Bürgermeister:innen im Kreis am BIZ. Regelmäßig werden wir im Schul- und Sportausschuss über die gute und wichtige Arbeit informiert, der Jahresbericht ist für alle im Internet nachlesbar. Vielleicht sollten sich die Bürgermeister:innen vor solchen Äußerungen erst einmal umfassend informieren.

Auch der Kreis hat mit Engpässen auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen. Es führt kein Weg daran vorbei, sich als Arbeitgeber zu präsentieren, der zukunftsfähige Arbeitsplätze anbietet, die für die Mitarbeiter:innen Entwicklungsmöglichkeiten anbieten. Digitale Kompetenz ist hier erforderlich, muss sich aber auch mit den technischen Entwicklungen weiterentwickeln können. Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass digitale Kompetenz allein nicht hinreichend ist: u.E. erfordern die Steuerung der vielfältigen Transformationsprozesse darüber hinaus auch ein hohes Maß an Nachhaltigkeitskompetenz.

Die Istanbul-Konvention umsetzen, damit sie bedarfsdeckend, wohnortnah, allgemein zugänglich und angemessen garantiert ist

Die Istanbul-Konvention, also das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, ist bei weitem mehr als eine bloße Anregung. Sie ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Und damit sehen wir auch den Kreis Paderborn in der massiven Pflicht, seinen Beitrag vor Ort zu leisten.

Denn diese Verpflichtungen richten sich nicht nur an staatliche Stellen auf Bundes- und Länderebene, sondern auch auf kommunaler Ebene. Im Kreis Paderborn stehen bereits umfangreiche Hilfs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote zur Verfügung, die gut vernetzt sind und eng zusammenarbeiten. Damit aber eine verbindliche Gesamtstrategie seitens Bund, Länder, Kommunen und der Zivilgesellschaft entwickelt werden kann, bedarf es nicht nur eines kommunalen Aktionsplans, sondern auch die entsprechenden Mittel. Darum brauchen wir eine Bestandsanalyse, die klärt, wie derzeit Gewaltschutz und Unterstützung entsprechend der Istanbul-Konvention bedarfsdeckend, wohnortnah, allgemein zugänglich und angemessen garantiert sind, und wo möglicherweise noch Handlungsbedarf besteht. In diese Analyse sollen die Erfahrungen der Träger:innen der Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen einbezogen werden. Für den Bereich der häuslichen Gewalt sind Strukturen und Angebote für betroffene Kinder, Männer und Trans*Personen ausdrücklich einzubeziehen.

Und darauf folgt ein kommunaler Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention – mit regelmäßigen Berichten für die Fortschritte, zusätzliche Bedarfe und noch fehlenden Maßnahmen im kommunalen Verantwortungsbereich und schreibt den Gleichstellungsaktionsplan entsprechend fort. Die Verwaltung weitet in diesem Sinne ihr Fortbildungsangebot aus und nimmt Weiterbildungen zum Erkennen von häuslicher, sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, sowie das Thema Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verpflichtend in den bestehenden Katalog auf. Völlig klar muss sein, dass das Thema in die Gesellschaft getragen wird, damit möglichst viele Bürger:innen – unabhängig von einer persönlichen Betroffenheit – darüber informiert werden können.

Die Zusammenlegung der Kreisfeuerwehr- und Technikzentrale und ggf. der Leitstelle an einem neuen Standort ist ein Thema, die manchem Feuerwehrkameraden und mancher Feuerwehrkameradin den Blutdruck in die Höhe treibt. Wir wissen, dass es in dieser Frage viel Unmut gibt. Nichtsdestotrotz wollen wir eine Wirtschaftlichkeits- und Organisationsanalyse bzgl. möglicher Einsparungen bei einer solchen Zusammenlegung, um eine Entscheidung treffen zu können. Wir wollen, dass entsprechende Mittel in den Haushalt 2022 eingestellt werden.

Die Medienwelt wächst immer schneller und wird immer unübersichtlicher. Eine Medienkompetenzförderung und auch die Förderung der Lesefähigkeit ist für uns ein wichtiges Instrument. Diese muss eingebettet sein in eine umfassende Strategie – gegebenenfalls mit personeller Unterstützung. Wir wollen die Zielgruppen erschließen und erweitern, Senior:innen, Migrant:innen u. auch Familien gehören dazu. Uns schweben literaturbezogene Veranstaltungen wie Lesungen, öffentliche Diskussionen, Workshops und literarische Reihen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Beteiligungen an Aktionstagen vor.

Tierschutz im Kreis Paderborn zu stärken ist uns ein wichtiges Ziel. Dies haben wir in diesem Jahr sowie auch in der Vergangenheit durch Anfragen und Anträge deutlich gemacht. Wir freuen uns daher ausdrücklich darüber, dass durch unser politisches Handeln sowie natürlich auch durch Vorgaben des Landes der Stellenplan im Amt für Verbraucherschutz und Veterinärwesen kritisch betrachtet wurde und nun im Haushalt weitere Stellen vorgesehen sind. Wir sehen darin wichtige Schritte zu mehr Tierschutz und Verbraucherschutz.

Ein Mähkonzept für alle Grünflächen des Kreises

Wenn ich im Frühjahr und Sommer im Kreis Paderborn unterwegs bin, frage ich mich regelmäßig nach welchen Kriterien die Straßenränder gemäht werden, oft sind sie bis fast auf die Erdkrume abgemäht. Hier wird nichts mehr zur Blüte kommen und die Mahd liegt faulend in den Gräben. Darum fordern wir ein Mähkonzept für alle Grünflächen, die im Besitz des Kreises sind oder zur AVE gehören und sind erfreut, dass der Kreis bereits auf einem guten Weg ist.

Bei diesen öffentlichen Wiesenflächen handelt es sich insbesondere um Straßenränder, Wegraine an Feldwegen und Entwässerungsgräben. Das Mähkonzept – unter fachlicher ökologischer Begleitung und Beratung – soll der naturnahen und insektenfreundlichen Pflege der Flächen dienen. Und Kosten lassen sich durch eine geregelte einjährige Mahd auch noch sparen.

Ein verwandtes Thema sind die Ackerränder, die an etlichen Orten komischerweise immer näher an die öffentlichen Straßen heranwachsen. Wir wollen deren Rückgewinnung und deren Neubepflanzung. Flächendeckend sollen die offensichtlichen Grenzüberschreitungen per Liegenschaftskataster und mit Luftbildern ausfindig gemacht werden – mit dem Ziel einer kooperativen, einvernehmlichen Korrektur. Davon profitieren auch die Kommunen im Kreisgebiet und können Grenzüberschreitungen an Wirtschaftswegen ermitteln und ahnden. Bei dieser Gelegenheit lassen sich hier Blüh- und Randstreifen, Bäume und Gehölze pflanzen als Beitrag zum Klima-, zum Arten- und – ich muss es hier deutlich sagen – auch zum Hochwasserschutz.

Wir haben eine Verantwortung für die Menschen in unserem Kreis: Veränderung ist angesagt

Der vorliegende Haushalt hat nicht zu 100 Prozent unsere Zustimmung. Das wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein. Gleichwohl trifft das Zahlenwerk im überwiegenden Teil auf unsere Zustimmung. Und das hat nicht allein mit den manchmal etwas trockenen Zahlen zu tun. Wir pflegen seit einiger Zeit eine bemerkenswerte Gesprächskultur. Wir sind in einem ungewohnten und umso erquicklicheren Austausch miteinander. Mal will die CDU für ein bestimmtes Produkt weniger Mittel einstellen – wir wollen aber mehr. In konstruktiven Gesprächen war in der Regel eine Einigung möglich. Knackpunkt sind die wiederkehrenden Diskussionen im Sozial – und Gesundheitsausschuss. Jedes Jahr diskutieren wir intensiv um die Anträge der Aidshilfe, Nadeshda/Theodora, Schwangerschaftskonfliktberatung, Flüchtlingsberatung etc.

Wenn wir uns vor Augen führen um welche Summen es hier geht, könnte man eigentlich nur mit dem Kopf schütteln. Wir haben eine Verantwortung für die Menschen in unserem Kreis, diesen Satz wiederhole ich jedes Jahr, seitdem ich diesem Kreistag angehöre. Von unserem Landrat habe ich erfreulicherweise eben diese Aussage auch mehrfach persönlich gehört, aber auch erlebt, dass seinen Worten Taten folgen. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle. Von den eben aufgeführten Trägern bekommen wir für einen kleinen finanziellen Einsatz unsererseits eine große Leistung. Eine breite Zustimmung für die vorliegenden Anträge war leider nicht möglich. Die Beibehaltung des Status Quo für die kleinen Träger ist kein Weg, der unendlich weit in die Zukunft führt, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt bietet er Planungssicherheit für das nächste Jahr. Wir gehen diesen Weg mit, da im nächsten Jahr die Bedarfe auf den Prüfstand gestellt werden und die logische Konsequenz sollte allen klar sein. Höhere Bedarfe erfordern auch einen höheren finanziellen Zuschuss.

Viele neue Anforderungen zwingen uns in vielen Punkten zu neuen Lösungen – Veränderung ist angesagt! Auf das bisher übliche ‘Weiter so’ und es ist noch immer gut gegangen, können wir uns nicht mehr verlassen. Der gute Eindruck vom Start in die Wahlperiode hat sich bestätigt -denn nur gemeinsam können wir die wichtigen Aufgaben stemmen, die über die Diskussion um die Verteilung der Mittel wofür auch immer, hinausgeht: Nämlich das Stehen Seite an Seite gegen alte und neue Nazis, gegen Nationalismus, Populismus, Spalter der Gesellschaft und Brunnenvergifter jedweder Couleur.

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen besinnliche Weihnachten und einen guten Start ins neue Jahr, aber vor allem – Bleiben sie gesund!